Heimspiel für das Stadion

Ich durfte endlich gegen das Stadion stimmen! Yeah!

Nein. Eigentlich bin ich ja recht unvoreingenommen in die Sitzung gegangen. Hab mich vorher nicht rein gesteigert und war sogar gewillt, etwas mehr Geld zu investieren, wenn das Umfeld des Sonnenbergs etwas davon hat und auch Nicht-Fußball-Veranstaltungen möglich sind. Soweit so gut. Ich musste, um an diesen Punkt zu kommen, natürlich trotzdem Beweggründe dagegen im Kopf ausräumen.

Wir hatten damals als Piraten das Stadion formell angegriffen. Ich wäre sogar noch weiter gegangen und hätte Finanzen und Zeitpunkt kritisiert, immerhin wurde damals das erste EKKo-Paket beschlossen. Ausgeschrieben heißt es Entwicklungs- und Konsolidierungskonzept der Stadt Chemnitz. Viele soziale Einrichtungen und sogar einige Pflichtaufgaben der Stadt mussten darunter leiden und der Stadtrat beschloss zeitgleich einfach ins Blaue 25 Millionen Euro für ein neues Fußballstadion.

Nun hat sich die Situation verändert. Die Stadt hat plötzlich Geld, wir schießen es wieder zurück in die Entwicklung und Soziales, einige EKKo-Maßnahmen haben sich als tatsächliches Gesundschrumpfen herausgestellt und wir leisten uns auch sonst ein wenig Luxus (Technisches Rathaus, Sanierung des Sportforums, komische Sitzskulpturen,…), weil wirs können. Vor dem Hintergrund war also erstmal alles OK.

Nun kommen wir zur Sitzung. Erst einmal wird kritisiert, dass die Informationspolitik versagt hat. Das mag sein. Ich hatte genau eine Einladung zu einer Begutachtung des Baus vor einigen Monaten. Mehr Informationen lagen mir nicht vor. In einschlägigen Ausschüssen mag das anders gewesen sein, daher sah ich darüber hinweg. Dann erzählte aber jemand, dass es eine Jury aus den Fraktionen gibt, welche den Bau begleitet und über die Maßnahmen im Detail Bescheid weiß und abstimmt. Diese ist dazu auch zur völligen Geheimhaltung verpflichtet.

Achso?

Warum darf ich davon selbst als Stadtrat nicht Bescheid wissen? Warum wurde die mit der neuen Amtsperiode nicht neu besetzt? Oder wurde die neu besetzt und man informierte uns nur nicht?

Dann kamen ein paar Sachargumente. Zum Beispiel bräuchte man den Teil des Parkplatzes, der aktuell nicht asphaltiert ist, ja nicht asphaltieren. Erstens versiegelt das ein recht großes Areal, wofür dann wieder Entwässerungsmaßnahmen und Abwassergebühren fällig werden, und zweitens ist das Argument der Barrierefreiheit hinfällig, da solche Parkplätze bereits durch die ca. 1/4 asphaltierte Fläche vorhanden sind. Mit der Argumentation geh ich mit und merke mir vor: Maßnahme „ganzen Parkplatz asphaltieren“ ist unnötig, kann weg.

Nächstes Sachargument: Warum ist denn die Innenausstattung in beiden Varianten mit den Außenanlagen und Sicherheitseinrichtungen verpackt? Sollen wir wirklich nur über Gesamtpakete abstimmen? Die Folge dieser Frage kam mit einer etwas zögerlichen Antwort der OB: „Ok, wir stimmen das einzeln ab.“ Denke mir so: Super, dann kann der Parkplatz ja unversiegelt bleiben.

Dann kam noch ein Sachargument: Es steht noch gar nicht fest, ob Nutzung, welche über Fußball hinaus geht, rechtlich möglich und vom Kreditgeber so abgesegnet ist. Die OB hatte hier zwei Tage vor der Sitzung noch eine Änderung ausreichen lassen, in welcher „Diese Maßnahme ermöglicht Veranstaltungen im Außenbereich und im Gebäude“ in „Diese Maßnahme würde Veranstaltungen ermöglichen“ geändert wurde. Das „Wenn“ wurde natürlich weg gelassen, aber formelle Gründe dagegen waren also bekannt. Damit flog auch erst einmal diese Maßnahme unter Vorbehalt weiterer Erklärungen von meiner Liste. Mir war es ja schon wichtig, dass der Sonnenberg dann Stadtteilfeste, Public Viewing und Ähnliches dort abhalten könnte. Der Ausbau für Konferenzen im Gebäude war mir herzlich egal. Solche Sachen wie eine designte Lichtszenerie für 60.000 €, welche das Stadion ins richtige Licht rückt, waren bei mir sowieso schon auf der Prioritätenlisten weit unten.

Ein weiteres Sachargument: Sicherheit. Man habe bei „Problemspielen“ festgestellt, dass man die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen könnte. Wusste man das mit den „Problemspielen“ nicht schon aus den vorangegangenen hundert Jahren? Nein, man hielt sich anfangs nur an die Vorgaben der DFL und bezog eigene Erfahrungen nicht mit ein. Zumindest schimmerte diese Info durch. Dass man diese Erfahrungen auch nicht in der Ausschreibung berücksichtigte, wollte man natürlich nicht zugeben. Für mich hieß das: Hmm, hat die Stadt wohl verbockt. Ist jetzt aber auch egal, denn sicher sollte so ein Stadion schon sein. Hierbei ging es um Wegtrennung Heim/Gast, Trennung der Blöcke mit ausreichend hohen Wänden oder einem Netz wegen Wurfgeschossen usw.

Nächstes Sachargument: Wir zahlen beim Beschließen der Maßnahmen für die jeweilige Bauleistung und dann extra noch mal für die Bauzeitverzögerung durch die Maßnahmen? Lasst uns das Stadion doch erst einmal fertig bauen! Darauf wurde nur mit der Antwort eingegangen, dass man dann nicht noch eine Ausschreibung machen müsste und das Ganze in einem Rutsch fertig ist. Und Gewährleistungsfragen lägen dann auch in einer Hand. Rechtfertigt das einen hohen 6-stelligen Geldbetrag? Damit kenne ich mich nicht so aus, habs also hingenommen. Es wurde aber schon gegrummelt. Man war also mit dieser Entgegnung nicht ganz zufrieden.

Dann kamen die ersten Fürsprecher. Frau Schaper von der Linken sinngemäß: „Ja, war ein totaler Scheißplan, das bei EKKo überhaupt zu beschließen, die Mehrkosten sehen wir eigentlich beim Bauunternehmer, da wir das damals schon als Mehrzweckstadion beschlossen haben. Ich hab damals auch dagegen gestimmt … aber wir stimmen jetzt trotzdem mehrheitlich dafür.“- Hmm. Kein Eingehen auf die Sachargumente, kein wirkliches Argument für das Stadion. Da kommt das Ende des Redebeitrags dann schon überraschend. Da sind wohl nicht alle so an die Sache heran gegangen, wie ich.

Detlef Müller von der SPD macht weiter. Er sagt dass die Sicherheitsmaßnahmen natürlich nötig sind, was keiner abstritt, und verteidigte den Plan als Gesamtes. Wenn man jetzt so etwas baut, dann sollte man es auch richtig und in einem Rutsch tun. Auf die anderen Argumente ging er auch nicht ein. Langsam wurde ich stutzig. Die Grünen sind dagegen und es fehlten etwa 12 von 60 Stadträten. Haben die nicht etwa ihren Mehrheiten-Kuchen schon fertig gebacken? Man gab sich sichtbar wenig Mühe beim Verargumentieren der einzelnen Punkte.

Irgendwann kamen wir zur Abstimmung. Wir durften ja immerhin die einzelnen Maßnahmen abstimmen. Es wurde aber mit etwas über 30 zu 12 Stimmen die größere Variante als Leitfaden gewählt. Gut, es war ja noch nichts verloren. Dann wurden die einzelnen Punkte abgestimmt und die gingen allesamt durch. Ok, scheinbar war alles vorher schon geklärt gewesen.

SPD stimmte geschlossen dafür, von den paar anwesenden CDUlern stimmten 2 dagegen und die Linke hatte auch 2 „Abweichler“ in den Reihen. Nachdem die, meiner Meinung nach, per Sachargumentation abzulehnenden Maßnahmen, angenommen waren, hatte ich auch keine Lust mehr, bei den anderen zuzustimmen. Wenn hier so gehandelt wird, so unsachlich und mit so vielen kleinen Fehlern, die sich im Nachhinein wieder als sehr große herausstellen könnten, konnte ich auch nicht reinen Gewissens die wechselnde Mehrheit spielen. Ich hatte wirklich auf Läuterung gehofft, nach dem formellen Desaster der ersten Entscheidung. Aber dieses Schauspiel, diese Wand, an der alle Argumente abperlten und nicht einmal auf jene eingegangen wurden, war einfach der Horror für einen Demokraten.

Ihr seht es mir sicher nach, liebe CFC-Fans. Ich war aufgeschlossen, hab meinen Ärger runter geschluckt und prompt kam der wieder hoch. Diese vorher bereits beschlossenen Anträge, die nur der Form halber eingebracht werden und nicht einmal ernsthaft diskutiert werden dürfen, nerven mich nur noch an. Ein super Übergang in die Sommerpause.