Ich werde im folgenden Text versuchen, die Phrase „besser ging es gar nicht“ weg zu lassen, möchte aber darauf hinweisen das jede Menge glücklicher Umstände bei der Einführung von OpenAntrag in Chemnitz durchaus eine Rolle spielten.
OpenAntrag sprengte in Chemnitz jede Erwartung. Innerhalb des ersten Monats stehen wir inzwischen bei 31 Anfragen zu unterschiedlichsten Themen und auch von unterschiedlichsten Leuten und haben als Fraktion dadurch nicht nur Vertrauen und Aufmerksamkeit gewonnen sondern einen Einstieg in die politische Arbeit, den man sich sonst hätte selbst suchen müssen. Viele der Hinweise sind wertvoll und die Abarbeitung macht Spaß und bringt neue Kontakte. Inzwischen stehen wir auf Platz 5 der 113 Parlamente mit den meisten Anträgen.
Einführung des Systems
Zuerst geb ich mal ein paar Tipps, die meiner Meinung nach jede neue Fraktion gut nutzen kann, um einen guten Start hinzulegen.
1. Lest euch jede Seite von OpenAnrag genau durch und nehmt Kontakt auf. Damit mein ich nicht jede Instanz, aber jede informative Seite. Wenn man das inhaliert hat, die Statistiken kennt und die Regeln im Kopf hat, ist der erste wichtige Schritt schon einmal getan. Es gibt 2 Personen die mir besonders geholfen haben: Kristof Zerbe, der Entwickler und Admin von OpenAntrag (@Kristofz) und Kai Schmalenbach von der NRW-Landtagsfraktion (@Dave_Kay).
2. Beeilt euch! Kurz nach einer Wahl sind die Gemüter noch erhitzt und viele Leute wollen ihre Gedanken und Ideen loswerden, vor allem jene, die durch zu schlechte Wahlergebnisse nicht gehört wurden oder auf Podien keine zufriedenstellenden Antworten bekamen.
3. Macht eine gut vorbereitete Pressekonferenz. Ich hab die Chance genutzt, die erste Pressekonferenz der Fraktion mit dem Thema zu verbinden. Diese lag, auf Grund der günstigen Umstände, auch noch zwischen der Kommunal- und kurz vor der Landtagswahl. Dadurch war politisches Interesse auch gerade noch immer besonders groß. Die Lokalblätter freuten sich auch, nicht nur Wahlkampf-PMs von Parteien zu bekommen, sondern auch politische Arbeit abseits des Trubels zum Füllen der Seiten. Wichtig noch: Das System sollte mit der Pressekonferenz startbereit sein.
4. Ladet dazu noch mehr Leute ein, am besten hauptsächlich Nicht-Piraten. Ich hatte das Glück, mit meinem Fraktionspartner eine Zielgruppe zu erreichen, welche zwar viel von Bürgerbeteiligung hielt, aber solche Tools noch gar nicht kannte. Solche Gruppen gibt es viele. Ob es Bürgerplattformen, Vereine, Initiativen, Elternräte oder einzelne Interessierte sind. Sie alle sind Multiplikatoren und helfen dabei eure Plattform zu befüllen und machen auch Mundpropaganda.
5. Betont die Andersartigkeit und den Paradigmenwechsel, den OpenAntrag herbei führt. Um Ratsanfragen los zu werden, dafür können Leute auch so schon an den Türen der anderen Fraktionen kratzen, aber nur hier wird alles transparent dokumentiert und der Versuch unternommen, den Parteiproporz heraus zu halten. Es ist einfach der bestmögliche Zwischenschritt zwischen dem StatusQuo und richtigen Bürgeranträgen.
Das alles führte am Ende dazu, das wir direkt am ersten Tag nach der Pressekonferenz zweistellige Antragszahlen erreichten. Die lokale Presse (Freie Presse und BILD) machten sehr gute Artikel und lockten so Leute auf die Plattform. Leute, die bei der Pressekonferenz anwesend waren, versuchten sich direkt am System und der Erfolg multiplizierte sich. Die Presse sah nämlich, das die Leute das System stürmten und brachten sogenannte Follow-Up-Artikel, in denen sie ihre Leser informierten, wie die Plattform angenommen wird.
Die richtige Arbeit
So eine Pressekonferenz zu organisieren kann zwar auch schon interessant sein, aber was der Eröffnung der Plattform folgte, war gleich ein ganzer Brocken. Ich hatte keinerlei Vergleichswerte und nahm nicht an, das die Plattform so überrannt würde. Eigentlich hab ich es sogar mehr als Wahlkampfgag und kleinen Service der Fraktion im Hinterkopf gehabt. Doch da hatten wir auf einmal richtig viel Gesprächsstoff für die folgende Fraktionssitzung.
In den Sitzungen, wo man die Anliegen bearbeitet, muss man natürlich geordnet und bedacht vorgehen. Wir haben uns vorher nicht das System gewählt, wie wir vorgehen, aber es zeigt sich schon, das ein First-Come-First-Serve nicht das Richtige sein wird. Einige Anliegen brauchen Vorarbeit und andere Anliegen sind bereits auf den Tagesordnungen der nächsten Sitzungen. Das macht vor allem den Unterschied aus, warum jetzt einige in der Mitte der Liste noch gelb sind und andere bereits grün. Wir sind also erst nach Dringlichkeit und unserer vorhandenen Expertise vorgegangen. Wo eine Ratsanfrage formuliert werden kann, hat sich der Stadtrat, der sich für die Frage am meisten Verantwortlich fühlt, den Hut aufgesetzt. Über die genaue Formulierung wird diskutiert und am Ende kurze und präzise Fragen daraus gebastelt.
An der Stelle möchte ich meinen Fraktionsgeschäftsführer Andreas Felber und auch meinen Fraktionskollegen Lars Fassmann sehr loben. Andreas Felber arbeitete in seiner Bürozeit nach einer kurzen Einführung selbstständig das Gröbste ab und legt dann die Anträge zur nächsten Sitzung vor. Dazu stellt er die Anfragen für uns 3 Stadträte dann auch im System des Rathauses ein. Mag sein Job sein, aber er macht ihn sehr gewissenhaft. Lars hat am vergangenen Wochenende einfach mal eine Mail mit 91 Fragen, verpackt in 19 Ratsanfragen für verschiedene Bereiche, für die Sitzung eingereicht. Schöner kann man die Geschäftsstelle der Oberbürgermeisterin kaum trollen.
Natürlich ist es aber nicht nur Bürokram. Zu einigen Anliegen haben wir die Antragsteller eingeladen und zu anderen Anliegen kamen die Leute sogar von sich aus vorher vorbei um mit uns zu sprechen. Bei anderen Sachen merkt man, das die Ideen schon eine Weile in Schubladen lagen und man dies vielleicht hinterfragen sollte. Das führt zu besseren Anträgen und Kontakten, die man auch in Zukunft weiter nutzen kann um Expertise zu bekommen. Ein Vorteil von gezielt angesprochener Klientel ist es ja, das die Qualität der Antwort im Schnitt besser ausfällt, daher sind eben auch Bürgerplattformen und Vereine so ein tolles Ziel für die Vorstellung von OpenAntrag.
Bereits jetzt gewonnener Erfahrungswert: Arbeitet man alles systematisch ab und zeigt Interesse, kommen die Antragsteller mit ihren tollen Ideen natürlich auch wieder.
Ausblick
Wir haben noch nicht eine Antwort auf eine Anfrage und einen Antrag für den Stadtrat konnten wir auch noch nicht formulieren. Daher sind das die nächsten großen Schritte. Abgesehen davon wird das Interesse an der Plattform über kurz oder lang sicher ein wenig sinken. Dann kann man angehen, Vorstellungen im Stil eines Workshops oder einer Pressekonferenz bei den Menschen zu machen, die sich in der Stadt engagieren wollen. Wer das ist, solltet ihr selbst heraus finden können. Parteilogos sind dabei eher unwichtig bis hinderlich, aber da OpenAntrag ja sowieso eines enthält, tut man damit auch der Partei etwas Gutes in Sachen Glaubwürdigkeit und Fürsorge für die dort geäußerten Belange.
Demnächst hab ich vielleicht die Ehre unsere erste Fraktionserklärung abzuhalten, mit dem Inhalt, wie wir uns erhoffen, das der Stadtrat als gesamtes Organ mit OpenAntrag umgeht. Eine frühe Einbeziehung von Mitarbeitern des Rathauses und der anderen Fraktionen ist aber durchaus hilfreich.
Zum Schluss möcht ich noch meine Materialien verlinken, mit welchen ich die Pressekonferenz abgehalten habe: Feel free to share!
Natürlich: OpenAntrag.de
Präsentation auf prezi.com von Kai Schmalenbach. (Die Effekte und der moderne Aufbau von Prezi können den ein oder anderen Lokalredakteur und Zuschauer schon überraschen ;-) )
Meine genutze Präsentation auf box.com (Nach der Folie „Regeln“ ging ich auf OpenAntrag um dort die Benutzung vorzuführen.)