Die Rettung der Partei … Nachtrag

Es denken wieder viele Leute über Austritte nach. Das kann ich verstehen. Es verteufeln viele das Konstrukt Piratenpartei, welches sie mit formten und gestalteten. Wollen lieber in NGOs oder Ähnliches. Das stimmt mich traurig.
Wo steht die Partei jetzt? Wo kommt sie her?

Sie kommt aus einem homogenen Haufen von Nerds, welche ein neues Urheberrecht, Abbau von Überwachung und Transparenz forderten. Das ist der alte Kern der Piraten. Diesen mit einer parlamentarischen Vertretung unter einen Hut zu bringen ist schwer, vor allem wenn man daran denkt, wie Transparenz und höchstmögliche persönliche Privatsphäre bei einem Abgeordneten zusammen passen sollen. Diesen Zwiespalt kann man noch hoch stilisieren, aber eins ist doch klar: Damals waren wir eine Protestpartei, zu 100%. Die Piraten machten reine Politik aus Notwehr.

Heute stehen wir an einem anderen Punkt. Wir haben uns entwickelt. Ich versuche mal zusammen zu fassen, für was diese Partei jetzt steht, oder zumindest stehen könnte:
Wir sind angetreten, weil wir glauben, das mit der größtmöglichen Offenheit(Transparenz, Bildung und Beteiligung) für die Belange der Bewohner und der Bewohner dieses Planeten selbst Entscheidungen getroffen werden können, die Politikverdrossenheit abbauen und zu besseren Ergebnissen führen. Das wir Wissen für Alle befreien können ohne den Urheber zu verletzen. Das wir die individuelle Freiheit über jene von Zusammenschlüssen jedweder Art schützen können (Staat/Unternehmen/Nazibanden/usw.) und diese auch gegenüber der Gesellschaft durch bedingungslose Teilhabe manifestieren sollten. Das wir gleichermaßen für Gleichbehandlung der Meinung und Gerechtigkeit gegenüber Minderheiten oder Schwächeren stehen können. Das wir uns eine Politik 2.0 wünschen, in der Taktieren und persönliche Agendas nicht den Lauf der Dinge bestimmen und die sich auf die Zukunft und gesellschaftliche Entwicklung fokussiert.

Wie kann man diesem großen Plan gerecht werden? Für mich als Mandatsträger eine besonders spannende Frage.
Erst einmal gar nicht. Diese Ansprüche sind gewaltig und lassen sich aber auch nicht außerparlamentarisch regeln. Dort kann man nur Druck aufbauen. Das ist auch nichts neues. Parteien nutzen ja schon immer die Presse für den Druck ;-)

Ein Mandatsträger hat es schwer. Das „Geschäft“ ist eingefahren und es wurden bisher immer nur Einzelne heran gezüchtet, die dann wieder gut integriert wurden. Manchmal gab es größere Gruppen, die den Betrieb gehörig über den Haufen warfen. Diese brauchten aber auch ihre Zeit. 5 Jahre sind ein Witz im Laufe einer parlamentarischen Demokratie. Wir können diesen Ansprüchen aber trotzdem gerecht werden. Bei den Grünen isst auch nicht jeder nur Bio-Pudding und ist gegen den Krieg, trotzdem wird ihnen ja ein Stück weit vertraut. All unsere Forderungen lassen sich in einzelne Anträge verpacken und schaffen genau ein Bild. Wir sind sozial oder sogar solidarisch, weltoffen und für Freiheit. Wir sind Linksliberal.

Ich sehe diese 5 Jahre in jedem Parlament als Lehrgeld, als eine Erfahrung, welche die Partei im Grunde erst einmal inhalieren muss. Zu oft machen wir schon zu große Sprünge und vergessen dabei einen anderen Stein auf dem Weg, den wir uns vorgenommen haben. Es ist schon ein gewaltiger Erfolg, wenn EIN Piratenantrag in einem Parlament mal Gehör findet, denn wir können und wollen das System nicht stürzen, wir wollen es erneuern, programmatisch darauf Einfluss nehmen. Das geht nur mit Mehrheiten.
Die Protestwähler kriegen wir nicht zurück, wir sind aber auch nicht nur 1%. Es gibt mehr Leute wie uns, welche noch nicht vor dem Status Quo kapituliert haben. Welche wir auf einzelnen Siegeszügen mitnehmen können. Wir brauchen Verbündete in Einzelbereichen, nicht nur Parteisoldaten.
Andererseits haben wir so tolle Sachen wie OpenAntrag. Das ist kein kalter Kaffee. Für große Teile der Gesellschaft ist das ein absolut tolles und neues Instrument, dessen Wert nur verständlich vermittelt werden muss. Ach jetzt komm ich wieder zur Vermittlung: Ja, Bildung ist der Parteiauftrag.
Wenn wir ein Ziel vor Augen haben, nicht aufgeben, uns kümmern, dann kann auch wieder etwas aus dieser Partei werden. Dann gewinnen wir nämlich Vertrauen. Vertrauen zu gewinnen, wenn man es einmal verloren hat, ist schwerer, als es sich das erste Mal zu verdienen. Vertrauen aufbauen und mehr Mitstreiter finden, ist mein Ziel in den nächsten Jahren. Mehrheiten kann man nicht nur im Parlament und in der Partei sammeln, sondern auch in der Gesellschaft.