tl;dr Ich fordere, dass sich mit externer Expertise, Disruptorinnen und Disruptoren europäischer Innenstädte und Kreativen zusammen gesetzt wird, statt nur mit den aktuellen Akteuren in Chemnitz, um das Gebäude einer sinnvollen Nutzung zuzuführen.
So, damit hätten wir den Teil mit dem Politikersprech hinter uns. Aber ganz im Ernst. Meiner Meinung nach hatte keine der bisherigen Nasen, ob IG Innenstadt, IHK, CWE und diverse City Manager irgendeine Ahnung, wie eine Transformation in der digitalen Welt und eine Unabhängigkeit von nicht nur aufs Shopping bezogenen Ankermietern aussehen könnte.
Galeria Kaufhof wird wohl noch bis Ende Oktober normal geöffnet haben und danach kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein halbes Jahr, oder vielleicht auch ein Ganzes, in eine Transfergesellschaft. Was bleibt ist der einst für 120 Millionen DM gebaute Glasklotz direkt am Marktplatz, welcher Flanieren wie auch quasi hermetisches Einkaufen ohne Kontakt zur Innenstadt ermöglichte.
Und da liegt eigentlich auch schon ein Teil des Problems. Die Menschen haben die Wahl, ob sie wirklich die Innenstadt besuchen wollen, wenn sie Galerie oder Galeria Kaufhof besuchen. Das sorgt dafür, dass Belebungsmaßnahmen von Stadt und CWE, etwa durch Feste und Veranstaltungen, auch immer nur den Teil der Kunden erreichen, die das auch wollen. Das heißt wir können als Stadt nur diesen Teil ansprechen. Den anderen Teil müsste das Warenangebot und die Präsentation, also das Marketing locken. Wir haben auch keine wirklich belastbaren Daten, ob die meisten Kundinnen und Kunden beide Kaufhäuser durchsuchen oder immer nur Eines. Also sind sie jetzt Ankermieter?
Was wir wissen ist, dass in der digitalisierten Welt Warenangebot und Marketing den stationären Einzelhandel nicht retten. Denn beides führt doch eher zum Klick auf Bestellen, als zum Ausgehen und Flanieren. Viele Geschäfte wären ohne die Funktion als Abholtheke für den Onlineshop oder sogar Paketshop schon längst dicht. Geschäfte die gleichzeitig auf Onlinehandel und Laufkundschaft setzen, wollen aber für ihr Versandzentrum hinten keine in unserem Stadtzentrum üblichen 25€/m² zahlen.
Welche Optionen haben wir?
Jetzt wird gerade gefordert dass sich die bestehenden Akteure zusammen setzen sollen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das gut. Die sollen die beste Lösung bekommen. In Sachen Innenstadt weiß ich nicht, was da heraus kommen soll. Denn die Ideen für die Chemnitzer Innenstadt waren von den Akteuren seit Jahrzehnten immer die Gleichen. Die Bebauung des Stadthallenparks als sogenannter „Beschleuniger“ gehört z.B. dazu.
Die Partys der CWE und C3 waren wirklich tolle Impulse für eine lebenswerte Innenstadt und auch mit Profit für die Geschäfte verbunden. Aber ich fürchte da hat man ihre Grenzen schon ziemlich gut ausgereizt. Ein Mehr seh ich da nicht. Vielleicht mehr Kleinteiligkeit und Konstanz und auch der Wille, mal mehr aus der Hand zu geben und zuzulassen.
Aus dem Grund würde ich mich freuen, wenn wir in andere europäische Städte schauen und uns Inspiration holen. Auch im Hinblick auf den möglichen Titel als Kulturhauptstadt.
Ideensammlung
Hier am Ende sammle ich mal Ideen, die mir bisher so untergekommen sind. Schreibt mir gern auf Twitter, Facebook oder in die Kommentare, wenn euch noch etwas einfällt. Und viele Ideen sind mit einem Augenzwinkern oder nur als teilweise Flächenumnutzung zu sehen :P
- City IKEA wie in Hamburg Altona (mehr Fokus auf Treffpunkt, Unterhaltung und Kantine)
- Umzug des Schauspielhauses
- Kulturinterventionsfläche (PopUp-Galerien, Theater, Ausstellungen)
- Neue Markthalle
- Einrichtung eines Gewächshauses (für Obst oder Marihuana)
- Energetische- und Wärmenutzung zum Beheizen des Marktplatzes
- Fahrradparkhaus
- Umzug des Sozialamtes
- Bis 2025 so tun, als wäre Galeria Kaufhof noch da.
- Alpakas
- Streichelzoo
- Katzencafé
- Startpunkt für eine Eselwanderung durch den urbanen Jungle
- Als Inkubator stehen lassen (kurzzeitig anmietbare Fläche für Büros, Werkstätten)
- Endlich Ersatzimmobilie für den Döner Drive In gefunden! (über 5 Etagen)
- bezahlbare Wohnungen
- energieautarkes/energiesparsames Mehrgenerationenhaus mit Gewächshaus, Kulturräumen, Kantine und Fahrradparkplätzen.
- Café „Wer im Glashaus sitzt“ mit vielen dekorativen Steinen
- Laser-Tag-Halle
- Seniorenresidenz-Kita-Kombi
- VR-Arcade
- Trampolin- und Funsportcenter
- Escaperoom
- Abreißen und mit kleinteiligen Wohnkarrees und kleinen Geschäften ersetzen.
Auch re:marx (Facebook) hat sich Gedanken gemacht.
Ich finde, dass Chemnitz keine anziehende Innenstadt hat. Das was als City fungiert, konzentriert sich rings um die Zenti in einen Einkaufscenter, was quasi beliebig ist und überall stehen könnte, ohne spezielle Läden wegen denen ich ich mich ins Auto / den ÖPNV setzen würde und vom Stadtrand wo ich wohne in die Innennstadt zu fahren. Dann die Galaria Kaufhof, mit einen Warenangebot, wo ich mich schon vor >10 Jahren als Schüler gefragt habe, wie es zur Stadt und den Leuten passen soll ( Preis und Ausrichtung => Chemnitz ist und bleibt eine Arbeiterstadt ohne nennenswerten Tourismus, anders als andere Großstädte wie Leipzig oder Berlin) und ob es nicht an den Konsumenten vorbeigeplannt wurde.
Seit Jahren wird halbherzig versucht den toten Gaul zu reanimieren, kommen neue Betonklötze von Kellenberger und co, Ideen wie die Kneipenmeile oder die Belebung des Brühls ( was dann wiederum an Anwohnerproteste wegen Lärm der Kneipen und Bars zum scheitern verurteilt ist) versenken Gelder und Menpower. Dies liegt vll. auch den Generationenkonflikt, den Chemnitz hat. Viele Leute sind in den 60-80ern für Neubauwohnungen in die Stradt gezogen und hier alt geworden und wollen eher ihre Ruhe haben. Nun kommen die Studenten und die Jahrgänge nach der Wende, die auch Ihre Freizeitaktivitäten ausleben wollen.
Was wird nun aus der City?
Meiner Meinung nach stirbt die City auf Raten. Auch das negative Image was die Chemnitzer Innenstadt nach dem Stadtfest 2018 mit den anschließenden Aktionen anhaftet macht es nicht besser. Weder für auswärtige Gäste noch für die Einwohner macht es die City attraktiver- Wenn ich meine Arbeitskollegen frage, was die Innenstadt für sie ist, so kommt sehr oft no go area und zusammengewürfelte „Bausünden“ als Antwort. Es scheint als ob die city absichtlich gemieden wird. ich muss selber sagen, dass außer für Geburtstagsessen im Brazil ich schon seit bestimmt 5 Jahren nicht mehr zum Bummeln in der City war. Wozu auch? Wirkliche Kundenmagneten gibt es schon lange nicht mehr.
Ich finde seit man sich kleinteiliger bei Festen engagiert und nicht nur das Stadtfest ausrichtet, was im Grunde eben nur ein Fest war, was den Status als Arbeiterstadt verfestigte, ist es deutlich schöner im Zentrum. Den Parksommer liebe ich. Und Leute die mit No-Go-Area um die Ecke kommen kann ich nicht ernst nehmen. Das sind Leute die selbst erfüllende Prophezeiungen herunter beten.
Ja, die Bausünden kann ich nicht abstreiten. Die lassen sich aber auch nur in nem gewissen Maß korrigieren. Bei Straßenraumplanung, Wohnverdichtung und Aufenthaltsqualität ist aber meines Erachtens noch Raum.