Autor: Toni Rotter

  • Koalition hin oder her?

    Vor kurzem hat sich im Rathaus eine Koalition aus Linken, SPD und Grünen gebildet (Reihenfolge nach Fraktionsgröße). Ziel der Gruppierung sei das Schaffen von Mehrheiten und Verfolgen gemeinsamer Ziele.
    Doch wie wirkt sich das nun tatsächlich aus? Ich werde mal versuchen, ein paar Gedanken dazu auf virtuelles Papier zu bringen.

    So ein Stadtrat hat es, wenn es um den Haushalt geht, schon schwer. Die Leistung einer Fraktion bemisst man an der Zahl der guten Anträge. Diese wirklich fundiert stellen zu können, setzt aber voraus, das man auch die nötigen Informationen zusammen tragen kann. Diese ergeben sich viel öfter aus dem persönlichen Gespräch und noch nicht veröffentlichten Kalkulationen der Ämter für kommende Projekte als aus frei zugänglichen Informationsquellen.
    Lädt das nicht zum Mauscheln ein? Ja, das tut es. Die Fraktion mit den besten Connections in die Verwaltung gewinnt sozusagen den Pot und irgendwie übt die Verwaltung darüber dann indirekt sogar Macht aus. Das Verhältnis an sich haben wir schon im Wahlkampf kritisiert. Die Verwaltung regiert, der Rat steuert nur etwas nach. Dieser Umstand hat jetzt auch am Rande etwas mit der Koalition zu tun, da die Verwaltungsspitze, unsere liebe OB, ja auch eine Stimme im Sinne der SPD zur Verfügung hat bzw. von ihr konsequenterweise natürlich hofiert werden muss.

    Warum gibt es um so eine Mehrheitenbildung überhaupt Tamtam?
    Bisher war unser Stadtrat ein, meiner Meinung nach, anschauliches Beispiel einer wabernden Masse wechselnder Mehrheiten. Zwänge, man mag es auch Fraktionsdisziplin nennen, maximal innerhalb von Fraktionen. Jeder Stadtrat wurde wegen seinem Abstimmverhalten einzeln böse angeguckt (anderes Thema). Allein auf Grund der deutlichen linken Mehrheit in unserer Stadt sollte man meinen, dass vielen, vor allem sozialen Anliegen, nicht viel im Wege steht. Dem ist auch so. Praktisch glaube ich nicht, das irgendein Anliegen anders ausgegangen wäre. Jetzt kommen wir zu meiner Meinung: Seien wir doch mal ehrlich. Eine Koalition ist hier doch vollkommen unnötig!

    Frühere Zusammenarbeit wurde oftmals vom schwierigen Verhältnis der Linken und SPD überschattet. Mit dem Wechsel der Fraktionsspitze wurde dies nun „beigelegt“. Das machte die Sitzungen für den Zuschauer witziger, da sich politische Entscheidungen aller Ebenen um die Ohren geworfen wurden. Nun legt man diese Differenzen erst einmal weg um … ja um was …
    Um wie im großen Parlament, die Regierung zu stellen.
    Richtig gelesen. Eigentlich gibt es auf unserer Entscheidungsebene eine Trennung zwischen dem Rat und der Verwaltung in diesem Bereich. Es gibt keine „gewählte Regierung“. Alle paar Jubeljahre steht aber die Wahl der Bürgermeister unter Frau Ludwig an. Diese wichtigen Köpfe über den Dezernaten sind für die Entwicklung so entscheidend wie der Minister auf höherer Ebene. Jetzt noch einmal einen kurzen Blick auf Abschnitt 2 werfen. Die Kontakte in die Ämter sind das A und O für die politische Arbeit. Man will daher gute Leute besetzen die möglichst im eigenen Sinne arbeiten um die Wirkungskraft, man könnte es auch Macht nennen, zu erweitern. Meiner bescheidenen Auffassung und Erfahrung nach entwickeln die Bürgermeister sowieso ein Beamten-Eigenleben, sodass die Macht dann eher wieder dahin statt in den Rat wandert. Ihre Amtszeit, die länger als die des Rates ist, spricht auch eher dafür. Ich bin auf jeden Fall auf die Kandidaten gespannt.

    Gibt es noch mehr?
    Die Wirkung der Koalition in der Haushaltssitzung am Mittwoch ist gelinde gesagt einfach gute Absprache. Man hat 32 Räte die gemeinsame Anliegen überprüfen und durchsprechen und dazu vermutlich noch die OB mit am Tisch sitzen. Dadurch kommt meist gutes Zeug bei raus. Im Gegenzug kümmert man sich aber nicht mehr ganz so um die Anliegen von Außerhalb. Vor allem eine antragsstarke Fraktion wie die CDU mit ihren ebenfalls 15 Räten, musste das leidlich spüren. Die Deckungsquellen der Koalition waren besser recherchiert und die Summen für bestimmte Beträge mit der Verwaltung und anderen Akteuren exakt und ohne zugedrücktes Auge ausgehandelt. Viele Anträge zerschellten dadurch, die man vielleicht sonst fraktionsübergreifend besprochen hätte. Uns traf dieses Vorgehen auch ein wenig, aber nicht unbedingt schmerzlich. Die CDU ließ dann schon Begriffe wie „Zauber-Deckungsquelle“ und abfällig „flotter Dreier“ fallen. Als getroffener Hund sollte man ja nicht still sein.

    Ich würde mir ehrlich wieder weniger Lagerbildung wünschen und es ist kaum abzusehen wohin das noch führt. Zu Experimenten und mutigem Handeln führt es sicher kaum. Es wird dann halt meist der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Verwaltung und den 3 Fraktionen. Die rundgelutschte Variante eines Antrages angenommen. Ich lasse mich aber auch gern vom Gegenteil überzeugen.

    LG Toni


    Zusammenfassung der Anträge meiner Fraktion zur Haushaltssitzung


  • Stadtrat am 24.09.2014

    Ja, es war mal wieder soweit. Stadtratssitzung.
    Im Vorfeld der Sitzung wurden schon Bedenken geäußert, dass die Sitzung sich über 12 Stunden hin ziehen könnte, da viele Tagesordnungspunkte mit Wahlen auf dem Plan standen, aber im Endeffekt ging doch alles recht schnell. Es waren nur 5 Stunden, inklusive halbstündiger Pause.

    Die Oberbürgermeisterin war zur Sitzung abwesend und bei Koalitionsgesprächen in Dresden, daher leitete der Kämmerer, Herr Brehm, die Sitzung. Zu Anfang fehlten 12 Räte, zum Ende nur noch 9. Zuerst einmal wurden, wie im Endeffekt festgestellt, unnütz die Fraktionserklärungen von der Tagesordnung gewischt. Darüber wurde bereits in der Fraktionsvorsitzendenrunde entschieden. Ich wollte gern eine kleine Lehrstunde in OpenAntrag geben, aber dann ist wohl mein erster Auftritt am Podium etwas nach hinten verschoben worden.

    Der erste spannende Tagesordnungspunkt befasste sich mit der Petition zur Stadtbibliothek, welche ich bereits im Petitionsausschuss mitverhandeln durfte. Das Ergebnis des Petitionsausschusses war eher ernüchternd. Wir haben sie weder abgelehnt noch eine Abhilfe beschlossen, weil irgendwelche mir unbekannten Arbeitsgrüppchen, scheinbar unter Leitung von Hubert Gintschel (Die Linke), in Ruhe weiter diskutieren und Strukturänderungen vorschlagen wollten. Daraus folgte: „Die Petition wird bei weiterer Beschlussfassung durch den Stadtrat berücksichtigt.“
    Das sagt im Endeffekt so ziemlich Nichts, Herr Gintschel verteidigte diese Position aber auch im Stadtrat. Ich hätte ja gern zumindest im Protokoll gern eine Info gehabt, wie die einzelnen Stadtratsmitglieder des Petitionsausschusses entschieden hätten, aber nicht einmal da führte ein Weg heran. Meike Roden nutzte hier ihre Chance um ihre erste Rede vorzutragen, mit der Erklärung, warum die Grünen sich bei diesem Beschluss enthalten. Inhaltlich super, praktische politische Wirkung -> leider gleich null. Protest durch Enthaltung fand ich ja noch nie besonders wirksam oder klug, aber so machte man sich vielleicht ein paar Freunde bei der Stadtbibliothek. Bedenken von Stadträten, hier dem Haushalt vor zu greifen, sind dabei ja legitim. Ich halte dies allerdings für eine politische Entscheidung ob unsere Bibliothek mehr Medien, Personal und E-Learning anbieten kann. Bei Bildung bin ich nicht bereit den Rotstift anzusetzen.

    Danach kamen wir unter anderem zur Änderung von Gesellschafterverträgen städtischer Unternehmen. Die Vorlage der Verwaltung hatte alle Arbeitnehmer aus den Aufsichtsräten gekegelt, was dazu führt, das diese 1. da nicht mehr vertreten sind und 2. auch Expertise verlustig geht. Bereits im Vorfeld hatte ich mit dem DGB und anderen Verbänden bereits Informationen dazu ausgetauscht und mich am Ende an die FDP gehalten, die einen passenden Antrag vorbereitete. Dieser Antrag sah vor, das ein zusätzlicher Platz geschaffen wird, welcher mit einem Arbeitnehmervertreter, also Betriebsrat oder Ähnliches, besetzt wird und vom Stadtrat nur noch Bestätigung benötigt. Laut rechtlicher Kommentierung der Gemeindeordnung wäre das im Rahmen des Möglichen gewesen. Was sich allerdings in der Sitzung abspielte war ein peinliches Schauspiel.
    Herr Doktor Füsslein von der FDP trug die Sache vor, wurde geschmäht und teilweise ausgelacht und ihm wurden die Fehler der Landes-FDP aufgebürgt obwohl er daran selbst keinen Anteil hat. Er tritt ja im Grunde nur auf der Liste der Partei an, engagiert sich in dieser allerdings nicht. Sinngemäß: „Die FDP hat ja die Gemeindeordnung so verbrochen und jetzt muss die SPD diese Fehler wieder ausbügeln.“
    Ich schätze den Herrn Füsslein, im Gegensatz zu vielen seiner Parteikollegen, als recht gutherzigen Mann ein. Daher tat mir dieses Schauspiel schon leid. Der Antrag wurde mit der Begründung abgeschmettert, das sich die Fraktionen ja auf eine Abgabe ihrer Aufsichtsratsplätze an Mitarbeiter geeinigt hätten. Schön das auch mal zu erfahren!
    Nicht schön ist allerdings die Vorstellung, das die Parteien selbst die einstig unpolitischen Vertreter jetzt selbst bestimmen. Ob das so geht waren sie sich auch noch nicht sicher, aber erst mal jede andere Lösung ablehnen und verhöhnen. Und natürlich herrscht dann in den Aufsichtsräten kein Parteiproporz. Gar nicht, kein Stück.

    Zur Erklärung: Die Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen müssen nicht spiegelbildlich zum Wahlergebnis besetzt werden, da es hier vor allem um Expertise geht und diese Unternehmen zwar von einzelnen Räten beaufsichtigt aber vom ganzen Rat auch weiterhin durchaus beeinflusst werden können. Stimmt das auch in Chemnitz? Über die Besetzung der Räte muss ich glaub ich nicht viel sagen. Es war ungefähr das gleiche Schauspiel wie zur Besetzung der Ausschüsse.
    „Wir stimmen jetzt über das Benennungsverfahren ab.“ -> 40 dafür, 10 (inklusive mir) dagegen. Damit waren die meisten Plätze schon im Vorhinein klar. Die Wahl hätte man sich auch sparen können. Selten wurde auch wieder gelost, aber nur zwischen CDU und Linke. Bei einem Beschluss stimmte eine Bankreihe der SPD gegen das Benennungsverfahren, entweder aus Verwirrung oder damit das Ergebnis mal nicht zum zwanzigsten Mal 40 zu 10 ausfiel. Es folgte Gelächter. Ich machte diesen: m(

    Nur bei den Verbandsräten konnte die letzte Bankreihe dem Rest der Versammlung ein Schnippchen schlagen. Dort musste nämlich gewählt werden und es genügten die 10 Personen um z.B. den Kandidaten der Grünen seines Platzes zu verweisen. Ein wenig eklig kam ich mir dann aber schon vor, da dort Stimmen von AfD und ProChemnitz mit hinein flossen. Bei einem Beschluss wählte ich mich aber mal selbst, da absehbar war, das durch die 12 fehlenden Stadträte meine Stimme für den FDP-Kandidaten keinen Mehrwert mehr gebracht hätte.

    Beim Tagesordnungspunkt zur Vorstellung des European Energy Award hatte Bernhard Hermann seinen ersten Redebeitrag. Dort wies er nämlich darauf hin das z.B. die Anschaffung von 2 neuen Dienstfahrzeugen mit sparsameren Aggregaten kaum als nennenswerte Umweltmaßnahme verbuchbar ist. Im ganzen wäre das Konzept wohl eine Ansammlung von winzig-kleinen Maßnähmchen.

    Weitere spannende Sache war ein Beschluss über Kinderverpflegung aus dem Bildungspaket. Diese sollte auf die Bereiche außerhalb der Schulzeit ausgeweitet werden. War ziemlich unkritisch.

    Es gab noch Informationsvorlagen zum Finanzcontrolling der Stadt, Jahresabschlussberichte, ein paar Bebauungspläne die eher unkritisch waren und ich sitze jetzt in einem weiteren, obligatorischen Ausschuss, dem Vergabeausschuss. Da bin ich ja mal gespannt.

    Alles in Allem fühl ich mich ja sehr in die Schulzeit zurück versetzt. Dieses Getuschel, ein paar Scherze und böse Blicke mit eingeschlossen. Alles ist berechnet und jedes Ergebnis wird nach Sitzplätzen verteilt angezeigt, dadurch wissen die Stadträte immer, wer da genau aus der Reihe getanzt ist. Warum nur wir Stadträte diese Gewissheit haben dürfen und fürs Protokoll erst namentliche Abstimmung beschlossen sein muss, find ich allerdings unverständlich.

    Für euch zur Info: Meine Aufwandsentschädigung wird sich durch Sitzungsgelder ab nächsten Monat wohl dauerhaft bei etwa 400€ einpendeln.

    Damit schließe ich diesen kleinen Bericht. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.


    Hier noch der Link zur Sitzung

    P.S. Jetzt hab ich so viel Dampf abgelassen, das ich das positive ganz übersehen habe. Sind einige gute Leute als sachkundige Bürger gewählt worden. Unter anderem ein alter Wegbegleiter, Ralph Jödicke. Glückwunsch dazu! :)


  • OpenAntrag in Chemnitz – Überraschungserfolg

    Ich werde im folgenden Text versuchen, die Phrase „besser ging es gar nicht“ weg zu lassen, möchte aber darauf hinweisen das jede Menge glücklicher Umstände bei der Einführung von OpenAntrag in Chemnitz durchaus eine Rolle spielten.

    OpenAntrag sprengte in Chemnitz jede Erwartung. Innerhalb des ersten Monats stehen wir inzwischen bei 31 Anfragen zu unterschiedlichsten Themen und auch von unterschiedlichsten Leuten und haben als Fraktion dadurch nicht nur Vertrauen und Aufmerksamkeit gewonnen sondern einen Einstieg in die politische Arbeit, den man sich sonst hätte selbst suchen müssen. Viele der Hinweise sind wertvoll und die Abarbeitung macht Spaß und bringt neue Kontakte. Inzwischen stehen wir auf Platz 5 der 113 Parlamente mit den meisten Anträgen.

    Einführung des Systems

    Zuerst geb ich mal ein paar Tipps, die meiner Meinung nach jede neue Fraktion gut nutzen kann, um einen guten Start hinzulegen.

    1. Lest euch jede Seite von OpenAnrag genau durch und nehmt Kontakt auf. Damit mein ich nicht jede Instanz, aber jede informative Seite. Wenn man das inhaliert hat, die Statistiken kennt und die Regeln im Kopf hat, ist der erste wichtige Schritt schon einmal getan. Es gibt 2 Personen die mir besonders geholfen haben: Kristof Zerbe, der Entwickler und Admin von OpenAntrag (@Kristofz) und Kai Schmalenbach von der NRW-Landtagsfraktion (@Dave_Kay).

    2. Beeilt euch! Kurz nach einer Wahl sind die Gemüter noch erhitzt und viele Leute wollen ihre Gedanken und Ideen loswerden, vor allem jene, die durch zu schlechte Wahlergebnisse nicht gehört wurden oder auf Podien keine zufriedenstellenden Antworten bekamen.

    3. Macht eine gut vorbereitete Pressekonferenz. Ich hab die Chance genutzt, die erste Pressekonferenz der Fraktion mit dem Thema zu verbinden. Diese lag, auf Grund der günstigen Umstände, auch noch zwischen der Kommunal- und kurz vor der Landtagswahl. Dadurch war politisches Interesse auch gerade noch immer besonders groß. Die Lokalblätter freuten sich auch, nicht nur Wahlkampf-PMs von Parteien zu bekommen, sondern auch politische Arbeit abseits des Trubels zum Füllen der Seiten. Wichtig noch: Das System sollte mit der Pressekonferenz startbereit sein.

    4. Ladet dazu noch mehr Leute ein, am besten hauptsächlich Nicht-Piraten. Ich hatte das Glück, mit meinem Fraktionspartner eine Zielgruppe zu erreichen, welche zwar viel von Bürgerbeteiligung hielt, aber solche Tools noch gar nicht kannte. Solche Gruppen gibt es viele. Ob es Bürgerplattformen, Vereine, Initiativen, Elternräte oder einzelne Interessierte sind. Sie alle sind Multiplikatoren und helfen dabei eure Plattform zu befüllen und machen auch Mundpropaganda.

    5. Betont die Andersartigkeit und den Paradigmenwechsel, den OpenAntrag herbei führt. Um Ratsanfragen los zu werden, dafür können Leute auch so schon an den Türen der anderen Fraktionen kratzen, aber nur hier wird alles transparent dokumentiert und der Versuch unternommen, den Parteiproporz heraus zu halten. Es ist einfach der bestmögliche Zwischenschritt zwischen dem StatusQuo und richtigen Bürgeranträgen.

    Das alles führte am Ende dazu, das wir direkt am ersten Tag nach der Pressekonferenz zweistellige Antragszahlen erreichten. Die lokale Presse (Freie Presse und BILD) machten sehr gute Artikel und lockten so Leute auf die Plattform. Leute, die bei der Pressekonferenz anwesend waren, versuchten sich direkt am System und der Erfolg multiplizierte sich. Die Presse sah nämlich, das die Leute das System stürmten und brachten sogenannte Follow-Up-Artikel, in denen sie ihre Leser informierten, wie die Plattform angenommen wird.

    Die richtige Arbeit

    So eine Pressekonferenz zu organisieren kann zwar auch schon interessant sein, aber was der Eröffnung der Plattform folgte, war gleich ein ganzer Brocken. Ich hatte keinerlei Vergleichswerte und nahm nicht an, das die Plattform so überrannt würde. Eigentlich hab ich es sogar mehr als Wahlkampfgag und kleinen Service der Fraktion im Hinterkopf gehabt. Doch da hatten wir auf einmal richtig viel Gesprächsstoff für die folgende Fraktionssitzung.

    In den Sitzungen, wo man die Anliegen bearbeitet, muss man natürlich geordnet und bedacht vorgehen. Wir haben uns vorher nicht das System gewählt, wie wir vorgehen, aber es zeigt sich schon, das ein First-Come-First-Serve nicht das Richtige sein wird. Einige Anliegen brauchen Vorarbeit und andere Anliegen sind bereits auf den Tagesordnungen der nächsten Sitzungen. Das macht vor allem den Unterschied aus, warum jetzt einige in der Mitte der Liste noch gelb sind und andere bereits grün. Wir sind also erst nach Dringlichkeit und unserer vorhandenen Expertise vorgegangen. Wo eine Ratsanfrage formuliert werden kann, hat sich der Stadtrat, der sich für die Frage am meisten Verantwortlich fühlt, den Hut aufgesetzt. Über die genaue Formulierung wird diskutiert und am Ende kurze und präzise Fragen daraus gebastelt.

    An der Stelle möchte ich meinen Fraktionsgeschäftsführer Andreas Felber und auch meinen Fraktionskollegen Lars Fassmann sehr loben. Andreas Felber arbeitete in seiner Bürozeit nach einer kurzen Einführung selbstständig das Gröbste ab und legt dann die Anträge zur nächsten Sitzung vor. Dazu stellt er die Anfragen für uns 3 Stadträte dann auch im System des Rathauses ein. Mag sein Job sein, aber er macht ihn sehr gewissenhaft. Lars hat am vergangenen Wochenende einfach mal eine Mail mit 91 Fragen, verpackt in 19 Ratsanfragen für verschiedene Bereiche, für die Sitzung eingereicht. Schöner kann man die Geschäftsstelle der Oberbürgermeisterin kaum trollen.

    Natürlich ist es aber nicht nur Bürokram. Zu einigen Anliegen haben wir die Antragsteller eingeladen und zu anderen Anliegen kamen die Leute sogar von sich aus vorher vorbei um mit uns zu sprechen. Bei anderen Sachen merkt man, das die Ideen schon eine Weile in Schubladen lagen und man dies vielleicht hinterfragen sollte. Das führt zu besseren Anträgen und Kontakten, die man auch in Zukunft weiter nutzen kann um Expertise zu bekommen. Ein Vorteil von gezielt angesprochener Klientel ist es ja, das die Qualität der Antwort im Schnitt besser ausfällt, daher sind eben auch Bürgerplattformen und Vereine so ein tolles Ziel für die Vorstellung von OpenAntrag.

    Bereits jetzt gewonnener Erfahrungswert: Arbeitet man alles systematisch ab und zeigt Interesse, kommen die Antragsteller mit ihren tollen Ideen natürlich auch wieder.

    Ausblick

    Wir haben noch nicht eine Antwort auf eine Anfrage und einen Antrag für den Stadtrat konnten wir auch noch nicht formulieren. Daher sind das die nächsten großen Schritte. Abgesehen davon wird das Interesse an der Plattform über kurz oder lang sicher ein wenig sinken. Dann kann man angehen, Vorstellungen im Stil eines Workshops oder einer Pressekonferenz bei den Menschen zu machen, die sich in der Stadt engagieren wollen. Wer das ist, solltet ihr selbst heraus finden können. Parteilogos sind dabei eher unwichtig bis hinderlich, aber da OpenAntrag ja sowieso eines enthält, tut man damit auch der Partei etwas Gutes in Sachen Glaubwürdigkeit und Fürsorge für die dort geäußerten Belange.

    Demnächst hab ich vielleicht die Ehre unsere erste Fraktionserklärung abzuhalten, mit dem Inhalt, wie wir uns erhoffen, das der Stadtrat als gesamtes Organ mit OpenAntrag umgeht. Eine frühe Einbeziehung von Mitarbeitern des Rathauses und der anderen Fraktionen ist aber durchaus hilfreich.

    Zum Schluss möcht ich noch meine Materialien verlinken, mit welchen ich die Pressekonferenz abgehalten habe: Feel free to share!

    Natürlich: OpenAntrag.de

    Präsentation auf prezi.com von Kai Schmalenbach. (Die Effekte und der moderne Aufbau von Prezi können den ein oder anderen Lokalredakteur und Zuschauer schon überraschen ;-) )

    Meine genutze Präsentation auf box.com (Nach der Folie „Regeln“ ging ich auf OpenAntrag um dort die Benutzung vorzuführen.)


  • Die Rettung der Partei … Nachtrag

    Es denken wieder viele Leute über Austritte nach. Das kann ich verstehen. Es verteufeln viele das Konstrukt Piratenpartei, welches sie mit formten und gestalteten. Wollen lieber in NGOs oder Ähnliches. Das stimmt mich traurig.
    Wo steht die Partei jetzt? Wo kommt sie her?

    Sie kommt aus einem homogenen Haufen von Nerds, welche ein neues Urheberrecht, Abbau von Überwachung und Transparenz forderten. Das ist der alte Kern der Piraten. Diesen mit einer parlamentarischen Vertretung unter einen Hut zu bringen ist schwer, vor allem wenn man daran denkt, wie Transparenz und höchstmögliche persönliche Privatsphäre bei einem Abgeordneten zusammen passen sollen. Diesen Zwiespalt kann man noch hoch stilisieren, aber eins ist doch klar: Damals waren wir eine Protestpartei, zu 100%. Die Piraten machten reine Politik aus Notwehr.

    Heute stehen wir an einem anderen Punkt. Wir haben uns entwickelt. Ich versuche mal zusammen zu fassen, für was diese Partei jetzt steht, oder zumindest stehen könnte:
    Wir sind angetreten, weil wir glauben, das mit der größtmöglichen Offenheit(Transparenz, Bildung und Beteiligung) für die Belange der Bewohner und der Bewohner dieses Planeten selbst Entscheidungen getroffen werden können, die Politikverdrossenheit abbauen und zu besseren Ergebnissen führen. Das wir Wissen für Alle befreien können ohne den Urheber zu verletzen. Das wir die individuelle Freiheit über jene von Zusammenschlüssen jedweder Art schützen können (Staat/Unternehmen/Nazibanden/usw.) und diese auch gegenüber der Gesellschaft durch bedingungslose Teilhabe manifestieren sollten. Das wir gleichermaßen für Gleichbehandlung der Meinung und Gerechtigkeit gegenüber Minderheiten oder Schwächeren stehen können. Das wir uns eine Politik 2.0 wünschen, in der Taktieren und persönliche Agendas nicht den Lauf der Dinge bestimmen und die sich auf die Zukunft und gesellschaftliche Entwicklung fokussiert.

    Wie kann man diesem großen Plan gerecht werden? Für mich als Mandatsträger eine besonders spannende Frage.
    Erst einmal gar nicht. Diese Ansprüche sind gewaltig und lassen sich aber auch nicht außerparlamentarisch regeln. Dort kann man nur Druck aufbauen. Das ist auch nichts neues. Parteien nutzen ja schon immer die Presse für den Druck ;-)

    Ein Mandatsträger hat es schwer. Das „Geschäft“ ist eingefahren und es wurden bisher immer nur Einzelne heran gezüchtet, die dann wieder gut integriert wurden. Manchmal gab es größere Gruppen, die den Betrieb gehörig über den Haufen warfen. Diese brauchten aber auch ihre Zeit. 5 Jahre sind ein Witz im Laufe einer parlamentarischen Demokratie. Wir können diesen Ansprüchen aber trotzdem gerecht werden. Bei den Grünen isst auch nicht jeder nur Bio-Pudding und ist gegen den Krieg, trotzdem wird ihnen ja ein Stück weit vertraut. All unsere Forderungen lassen sich in einzelne Anträge verpacken und schaffen genau ein Bild. Wir sind sozial oder sogar solidarisch, weltoffen und für Freiheit. Wir sind Linksliberal.

    Ich sehe diese 5 Jahre in jedem Parlament als Lehrgeld, als eine Erfahrung, welche die Partei im Grunde erst einmal inhalieren muss. Zu oft machen wir schon zu große Sprünge und vergessen dabei einen anderen Stein auf dem Weg, den wir uns vorgenommen haben. Es ist schon ein gewaltiger Erfolg, wenn EIN Piratenantrag in einem Parlament mal Gehör findet, denn wir können und wollen das System nicht stürzen, wir wollen es erneuern, programmatisch darauf Einfluss nehmen. Das geht nur mit Mehrheiten.
    Die Protestwähler kriegen wir nicht zurück, wir sind aber auch nicht nur 1%. Es gibt mehr Leute wie uns, welche noch nicht vor dem Status Quo kapituliert haben. Welche wir auf einzelnen Siegeszügen mitnehmen können. Wir brauchen Verbündete in Einzelbereichen, nicht nur Parteisoldaten.
    Andererseits haben wir so tolle Sachen wie OpenAntrag. Das ist kein kalter Kaffee. Für große Teile der Gesellschaft ist das ein absolut tolles und neues Instrument, dessen Wert nur verständlich vermittelt werden muss. Ach jetzt komm ich wieder zur Vermittlung: Ja, Bildung ist der Parteiauftrag.
    Wenn wir ein Ziel vor Augen haben, nicht aufgeben, uns kümmern, dann kann auch wieder etwas aus dieser Partei werden. Dann gewinnen wir nämlich Vertrauen. Vertrauen zu gewinnen, wenn man es einmal verloren hat, ist schwerer, als es sich das erste Mal zu verdienen. Vertrauen aufbauen und mehr Mitstreiter finden, ist mein Ziel in den nächsten Jahren. Mehrheiten kann man nicht nur im Parlament und in der Partei sammeln, sondern auch in der Gesellschaft.


  • Die Rettung der Partei …

    Wir haben die Landtagswahl nicht gewonnen. Wir haben nicht einmal die 5% geschafft. Wir haben nicht einmal an die Prozentzahlen von 2009 heran gereicht. Woran mag das liegen?

    Die Piratenpartei ist über ihrem Zenit als Modeerscheinung hinaus. Wir hatten ein einziges Mal einen gewaltigen Schub. Wir waren das, wonach sich die Welt gesehnt hat. Die Netzpolitik und Anti-Überwachungs-Bewegung war in der Krise. Sie rebellierte, suchte Heimat und fand sie in den Piraten. Das brachte erste Achtungserfolge 2009. Aber noch lange nicht jeder wusste auch etwas mit uns anzufangen. Dieser Zustand sollte auch noch lange anhalten. Wir wurden langsam ernster genommen, denn ein Wachstum begann.

    Wo wuchsen wir am stärksten? Da wo wir der Geheimtip auf der Straße waren. Meine Theorie ist, das die Piratenpartei 2011 die Modeerscheinung schlechthin in der Hauptstadt war. Der Nerdbrillentrend griff gerade so richtig um sich und zufälligerweise standen wir damit, dem Stil, nicht unbedingt der Brille, im Fernsehen. Besser kann es doch gar nicht kommen. Die Leute wussten noch immer nicht wer wir waren aber nach Außen hin waren wir jung, hip, hatten Grips, waren nicht auf den Mund gefallen und wollten Veränderungen, welche die Gesellschaft ganz schön erschüttern würden. Was löst das automatisch aus? Hoffnung.

    Das Bild der Hoffnung überträgt sich leicht, es verkauft sich in der Presse ebenso gut wie Trends. Ein Glitzern in den Augen steckt leichter an als jeder gut gehaltene Vortrag. Wir waren nichts Greifbares, aber wir standen auf der Straße, waren überall präsent. Zeigten wie ernst es uns war. Das schlug Wellen. Wir konnten im Fernsehen total verkacken und es wurde uns verziehen. Dann waren da plötzlich diese 8,9%. Ein Schock für alle Beteiligten. Dieser Schock machte da aber nicht Schluss. Die Medien versuchten das hastig und mit viel Aufmerksamkeit zu bewältigen, denn bei dem Wachstum hätten wir 2013 Deutschland regiert und wir sahen dabei nicht gewalttätig oder gefährlich für das Land aus.

    Die Hoffnung übertrug sich auf ganz Deutschland. Berlin hat als Stadt diese Strahlkraft, diese Vorreiterrolle bei vielen Sachen, wie eben bei Trends. NRW, das Saarland und Schleswig-Holstein folgten. Wir wissen alle, was in der Zeit teilweise für Mitglieder zu uns kamen. Viele waren darunter, die sich die Partei zurechtbiegen oder für eigene Zwecke missbrauchen wollten. Viele die unsere Überzeugungen nicht teilten, aber auf die Partei das projizierten, was sie von einer Partei erwarten. Viele konnten vermutlich, bis wir sie heraus gekegelt haben, noch nicht einen Satz unseres Programmes, so wie es dem Großteil von Deutschland zu der Zeit ging. Das gab einen gewaltigen Zoff und eine Sinn- und Richtungskrise, die bis heute anhält.

    Wir wurden mit vielen Sachen beschimpft, die im Nachhinein prophetisch waren. „Linke mit Internetanschluss“ z.B… tia, jetzt hat die Linke einen Internetanschluss und die Grünen plakatieren gegen Überwachung. Das man uns diese Themen mehr zutraut als den beiden? Eher abwegig, die wirken sortierter, professioneller oder man kennt Jemanden von Ihnen persönlich. Wir haben auch allgemeines Vertrauen verspielt. Der thematische Zenit, der nie für mehr als 2% ausreichte, ist erreicht. Unsere Stärken stecken aber noch immer im urbanen Raum, da wo Trends beherrschen und junge Leute mit Ideen leichter den Ton angeben können, weil die Gesellschaft nach ihnen verlangt.

    Wir werden es niemals schaffen, über einen Überwachungs- oder netzpolitischen Skandal einmal Hürden zu nehmen. Haben wir meiner Meinung nach auch noch nie. Das letzte Mal, wo durch ein Thema eine Wahl gewonnen wurde, war in Baden-Württemberg durch die Grünen. Mit Fukushima und der medialen Verarbeitung des Ereignisses, hatten die Leute praktisch Angst um Leib und Leben. Da ist im Vergleich eine Vorratsdatenspeicherung ein Luxusproblem. Bei allem anderen ist der Wähler deutlich träger.

    Es ist aber nicht alles schlecht. In Berlin wissen die Menschen inzwischen, wer wir sind, was wir wollen und wie wir reagieren wenn es hart auf hart kommt. Dort steht die Partei in Umfragen immer mal wieder knapp an der 5% Hürde, weil sie, in der öffentlichen Wahrnehmung, gute Arbeit leistet. Nur da können wir ansetzen. Wir haben andere Mittel und Wege. Wir haben tatsächlich Idealismus und Zukunftsvisionen. Diese fruchten aber nicht ohne Vertrauen und eine breite Basis. Wir müssen von unten arbeiten, wachsen, gedeihen, mit der Gesellschaft verschmelzen. Der introvertierte Informatiker gewinnt keine Wahlen. Seht euch an wie lange es bei den Grünen gedauert hat bis sie regelmäßig gewählt werden und seht euch, am Beispiel der FDP an, wie schnell man scheitert, wenn man für persönliche Agendas eine Partei in eine Richtung drückt.

    Viele der Menschen, die heute hier in der Partei tolle Arbeit leisten, haben wir selbst heran gezüchtet. Das ist doch ein Erfolgsrezept. Wir fabrizieren politische Menschen mit Träumen und Hoffnungen. Zufällig ist Politisieren und Bilden ja eine Hauptaufgabe von Parteien. Dafür bekommen wir die Parteienfinanzierung. Nicht für Büros, nicht für Parteitage und nicht für hübsche Visitenkarten.

    Unsere Hoffnung muss sein, unseren Kern(nicht unbedingt Kernthemen), unsere Überzeugungen nicht zu verraten und trotzdem erfolgreich zu sein. Ich betone dabei das Wort Hoffnung, denn nicht die Ziele einer Partei oder der Einzelpersonen machen sie attraktiv, sondern der Funke, das Glitzern in den Augen. Dafür müssen wir am Ball bleiben.

    Ach ja. Die Überschrift. Die Rettung der Partei … bist Du mit deinem Glitzern in den Augen.


  • „Wer zahlt denn das alles?“ – Podium im Lokomov

    Mir war es persönlich schon zu kosmopolitisch. Der Bezug zu „was ist Chemnitz die Kunst wert“ kam meiner Meinung nach zu kurz. Wir haben über 220 Vereine, die als Kulturschaffende im Sektor „Freie Kultur“ gelten und welche sich alle irgendwie einen Anteil der deutlich unter 5% Förderung der Stadt wünschen würden, was eine Frau Zais im Gegensatz zu mir im Verwaltungs- und Finanzausschuss wohl überhört hat. Ein Großteil der Vereine trägt sich im Endeffekt über seine Mitglieder oder Querfinanzierung durch Getränkeverkauf und Ähnliches. Das gilt auch für Stätten, welche zwar keine Kunst schaffen, aber einen Bildungsauftrag erfüllen, wie den botanischen Garten.

    Eins wurde aber sehr offensichtlich: Es wurde noch nicht begriffen, das freie Kunst und Kultur auch Infrastruktur braucht. Es war von Förderung von Projekten die Rede. Ein Lesecafé Odradek mag an sich keine Kunst und höhere Kultur darstellen, aber dort ist ein Treffpunkt und auch Geburtsstätte von Projekten. Dort kann sich auch ein sonst armer Künstler gern herum treiben und es gibt für ihn einen Kaffee gratis, wenn jemand anders einen bestellt. Auch Frau Reinhardt hat schlüssig dargestellt das viele Projekte plötzlich funktionieren wenn z.B. die Schlüsselpersonen auf ihren Lohn verzichten und sich aufopfern. Jene, die das Projekt auf Kurs bringen, koordinieren und damit zur Infrastruktur des Projektes gehören.

    Freie Kunst und Kultur schaffen ist Wirtschaften mit Raum, Motivation und dem, was bei den Menschen im Alltag übrig bleibt, ob es Zeit ist, Inspiration oder Geld. Das alles hängt nicht nur von Finanzierung ab und einer hübschen Galerie sondern zuerst von den umgebenden Lebensumständen. Auch das Lohnniveau, Arbeitszeiten und die Gegenwehr aus verschiedenen Bereichen, ob Verwaltung oder Bevölkerung, spielen eine Rolle. Das kann man auch politisch steuern, auf jeder Ebene ein wenig. Das ist auch ein Grund, warum mir als Pirat das bedingungslose Grundeinkommen so gefällt, weil es gleichzeitig von Zeitmangel und Geld befreit und die Menschen vor die Herausforderung stellt, was sie jetzt damit tun sollen.

    Zu guter Letzt fand ich das Streetart-Künstler-Bashen ein wenig fehl am Platz. Wir haben in Chemnitz tolle Beispiele für gelungene Gestaltung von Außenflächen, welche auch auf Auftrag gefertigt werden und auch wirtschaftlich interessant sind. Anders als man vielleicht auch annimmt, ist die Szene sehr vernetzt und kontaktfreudig, nimmt jedes Festival mit und ist interessiert an der Weitergabe der Kenntnisse. Eine inspirierende Umgebung schafft im Endeffekt dann auch den passenden Nährboden für weitere Arten der Kunst.

    Alles in Allem war es nette Unterhaltung. Hoher Lanz-Faktor. Das waren meine zwei Cent dazu.


  • Die erste Sitzung, ein Fiasko …

    Ich nahm mir ja zum Glück schon im Vorfeld nicht die Zeit, den Gottestdienst vor der Sitzung zu besuchen, denn dort, wurde mir gesagt, vermittelte der Pastor eine Botschaft, denen die Stadträte bereits 2-3 Stunden später nicht mehr gerecht wurden.

    Die Sitzung begann mit einem Konzert von „Jugend musiziert“. Die haben gut gespielt und sollten wohl die Erhabenheit des Augenblickes heraus arbeiten. Das Ganze ging 15 Minuten. Zeit, in der auch Fraktionserklärungen hätten verlesen werden können und damit Politik auf die Tagesordnung gekommen wäre. Aber dazu später mehr.

    Es folgte die Ehrung der ausgeschiedenen Stadträte. Es wurden dort die Errungenschaften und Mitarbeit in Ausschüssen, sowie die Dauer ihres Engagements von der Bürgermeisterin hervorgehoben und sie durften sich in das goldene Buch der Stadt eintragen.

    Währenddessen sortierte mein Vorsitzender hitzig die Vorlagen für die Sitzung, welche teilweise 30 Minuten vor der Sitzung eingingen und von denen auch eine mehr als 10 Seiten umfasste. Vor mir lag also nun mein Tablet und wieder ein vermeidbarer Stapel Papier. Etwas fiel dabei besonders auf. Eine Beschlussvorlage reduzierte die Ausschusssitze in den beschließenden Ausschüssen wieder auf 13 Personen. Ein Vorschlag, der sehr überraschend erschien. Die kleinen Fraktionen, die zu diesem Thema nie offen angesprochen wurden, machten sich vor der Sitzung darauf gefasst, den Vorschlag der Verwaltung, 15 Sitze mit Losverfahren, zu ändern und zu erweitern. Das Argument war die gesetzlich vorgeschriebene Spiegelbildlichkeit1. Dann liegt dort so etwas … mir schwante Böses.

    Bevor es richtig los ging, gab es noch Sekt und ein Buffet. Das hätte mir auch ruhig gestohlen bleiben können. Ich ließ mich dann doch zu einem Glas Sekt und einem Wasser hinreißen. Allein auf Grund der Wärme war das notwendig.

    Die Sitzung begann und der übliche Anfangsfoo lief ab. Der übliche? Nein. Beim Beschluss der Tagesordnung wurden die Fraktionserklärungen gestrichen, um Zeit zu sparen. Dort kam das erste Mal das Ergebnis, welches im Laufe der Sitzung noch mehrfach auftauchen sollte: 48 Ja, 13 Nein.²

    Die 4 „großen“ Fraktionen entzogen den 4 Kleinen zu Beginn also erst einmal das Wort. Das kann ja heiter werden. Je länger sich das Prozedere hinzog, desto mehr sank meine Stimmung. Bei der Diskussion um die Hauptsatzung entlud sich erst einmal viel Frust. Für die Zuschauer war es vermutlich nicht so tragisch, wurde diese Beschneidung der Ausschusssitze doch mit ein paar anderen diskussionswürdigen Vorschlägen verwässert, sodass es so aussehen musste, dass es 4 oder 5 gleichwertige Streitpunkte gab. Außerdem wurde im Laufe der Diskussion die Sitzung unterbrochen um zu einer Demonstration vor den roten Turm zu gehen, bei der unter anderem die Betreuungsschlüssel von Kitas und Schulen besprochen wurden. Natürlich ist das eine schöne Geste, das Timing war aber eben sehr passend. Es regte Gemüter ab, nahm den Druck aus der Sitzung und nahm natürlich auch die Presse mit vor die Tür. Nach einer halben Stunde ging es mit dem gleichen Tagesordnungspunkt weiter und mit den 4-5 Änderungsthemen daran.

    Andreas Wolf und Ich einigten uns im Vorfeld mit der FDP, das Herr Dr. Füsslein die Gegenrede und Alternativvorschläge einbrachte. Für mich kann ich sagen, das es sehr gelegen kam, da dieser darin auch mehr Erfahrung und vielleicht auch etwas mehr Respekt im Rat genoss. Seine Vorschläge wurden auch von allen kleinen Fraktionen getragen, nur nicht von den anderen. Er sprach von juristischen wie auch praktischen Konsequenzen und das die Bundesregierung es vormache, wie es richtig geht. Hier war davon die Rede, das die Opposition durchaus in Bereichen mehr Rechte eingeräumt wurden.  Dazu sagte er: Eine Nicht-Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse würde in einer Neubesetzung resultieren und sollte es doch wider erwarten so bleiben, würden die Kleinen eben die Ausschussarbeit in den Stadtrat holen und die Arbeit hier entsprechend zäh gestalten. Davor hätte er keine Skrupel.

    Diese letzte Drohung sollte verpuffen, denn es wurde sehr schnell klar, das es sich bei dieser Sitzung auch um ein Machtspiel handelte. Viel zu oft registrierte ich auch kindisch gespielte Ablehnung und Entrüstung, durch sich immer im gleichen Takt und demonstrativ schüttelnde Köpfe. Die Sitzung war kaum mehr als eine Vorstellung, eine Show zur Eröffnung der Legislatur. Natürlich wurden wir abgewatscht und 13 Sitze in den beschließenden Ausschüssen sowie das Losverfahren wurden bestätigt. Dazu wurde aber auch beschlossen, das Stadträte bei Gesellschafterversammlungen der städtischen Unternehmen anwesend sein konnten und das es einen beratenden Vergabeausschuss geben soll.

    Irgendwann kam man zu den Ausschusssitzen. Es gab nun nur noch ein Los im Loskarton³ pro Ausschuss. Die Chance war groß, das nicht eine der kleinen Fraktionen da etwas ab bekommt. Im Endeffekt kam es zumindest ein wenig anders. Von einer Spiegelbildlichkeit kann aber keiner sprechen.

    Die FDP gewann 3 Sitze, die AfD 2 und meine Fraktion Einen. Zum Glück möchte die FDP weiterhin Widerspruch einlegen. Die FDP erhielt den Kultur- und Sportausschuss, den Planungs-, Bau- und Umweltausschuss sowie den Betriebsausschuss. Die AfD den Verwaltungs- und Finanzausschuss sowie den Schulausschuss. In meinen Augen wäre da eine unpassendere Kombination kaum möglich. Wir haben dabei übrigens zumindest den Lieblingssitz meines Fraktionsvorsitzenden erreicht, den Sozialausschuss.

    Bei jedem dieser Tagesordnungspunkte lehnte die letzte Reihe das Losverfahren ab und alle davor stimmten zu. Wo wir wieder beim Problem wären. Aus der rechten Ecke kam eine Bemerkung, die mich wieder ins Grübeln brachte. Die Bürgermeisterin betonte jedes Mal „eine Einigung über die Besetzung der Ausschüsse fand nicht statt“. Eine Einigung wäre auch, vor dem Hintergrund der unklaren Situation in der Sitzung, nicht klug gewesen, daher hatten alle Kleinen, bei beinahe allen Ausschüssen, Vorschläge eingereicht. Diese konnten in der Sitzung dann weder ergänzt, noch zurück genommen werden, was eine Einigung de facto sogar unmöglich machte, bei Veränderung des Verfahrens. Der juristische Knochen für die Landesdirektion wird also etwas dicker.

    Ich wurde als Vertreter in den beratenden Ausschüssen bestätigt. Dort konnte eine Person pro Fraktion entsandt werden. Das sind zum einen der Petitionsausschuss und zum anderen der Strategieausschuss Verwaltung 2020.

    Weiterhin kam eine Vorlage über die Anpassung der Gesellschafterverträge dran, diese wurde zurückgezogen. Zum Glück, sollten dort doch alle Arbeitnehmer aus den Aufsichtsräten gekegelt werden. Nach der Sitzung setzten wir 3 uns noch einmal kurz im bisherigen Büro von Andreas Wolf zusammen, um zu beraten. Es wird diesen Monat noch eine Sitzung geben und dort wollen wir das weitere Vorgehen koordinieren. Natürlich war das Thema Ausschüsse der Aufhänger für die Sitzung, sind sie doch eine der wichtigsten Grundlagen für eine Mitwirkung in den Entscheidungsprozessen des Stadtrates. Warum? Das zeigt diese Sitzung hier ja recht genau.

    Bis demnächst mal wieder …

     

    1 Die Spiegelbildlichkeit ist eine Vorgabe der Gemeindeordnung, welche festlegt, dass alle Ausschüsse so zu besetzen sind, dass sie auch die Mehrheiten im Ratssaal und damit das Wahlergebnis abbilden. Eine echte Spiegelbildlichkeit wäre nur bei 19 Ausschusssitzen möglich, da sonst den kleinen Fraktionen kein voller Sitz zusteht. Da diese aber sicher nicht in jedem Ausschuss unbedingt mitreden müssen, auf Grund der dünnen Personaldecke, wäre eine Lösung mit weniger als 19 sicher auch möglich gewesen.

    ² Die kleinen Fraktionen + der NPD-Vertreterin entsprechen genau 13 Räten und damit 23,75% der Wählerstimmen zur Stadtratswahl. Der ganze Rest stellt 48 Stadträte.

    ³ Der Loskarton: Ein Pappdeckel von einem Karton für Druckerpapier, relativ flach. Darin: Umschläge mit jeweils einem Los drin, also eher schlecht mischbar. Den Karton hielt unter anderem die Oberbürgermeisterin. Gezogen wurde von Eberhard Langer, dem dienstältesten Mitglied des Stadtrates.

    # Da ich nicht auf jedes Detail der Sitzung einging: Hier wird demnächst das Protokoll erscheinen und hier ist der Rest der Tagesordnung ein zu sehen.