Der Brühl hat eine lebendige Geschichte und beste Voraussetzungen um zum Kiez von Chemnitz zu werden. Leider ist das nicht der Plan von GGG und Stadtoberhaupt Frau Ludwig.
Die zusammenhängenden Quartiere, die breite Fußgängerzone, die Häuser und damit auch der Wohnraum sollen für eine generationenübergreifende Bewohnerstruktur und ständige Kompromisse verschwendet werden. Das zeigen nicht nur Investoren, sondern auch die Architekten und bisherigen Pläne. Das erste Karree ist zur Hälfte für Studenten gestaltet worden, danach hört es mit den günstigen Mieten aber schon auf. Statt große WG-Wohnungen und Häuser mit Wohnheimcharakter werden ab jetzt “hochwertige, familienfreundliche Wohnungen” gebaut, die man selbstredend teuer vermieten kann.
Natürlich hätte eine Belebung von unten schon viel eher passieren müssen. Statt Objekte ab zu stoßen und einzelne Investoren auf dem Brühl Eigeninteressen entwickeln zu lassen hätte man einfach den Wohnungsbestand in seiner mäßig sanierten Form frei geben können. Stattdessen waren trotz miesem Zustand die Mieten der Umgebung entweder innerhalb des Chemnitzer Durchschnitts oder die Wohnungen gar nicht im Angebot.
Junge, kreative Geister, am Rande der prekären Existenz brauchen meist nicht die neuesten Fliesen und das 08/15-Laminat, aber natürlich gibt es von Ihnen nicht so viele. Diese kreativen Geister, hier am Beispiel von Leipzig, locken über kurz oder lang aber weitere Menschen an. Ich nenne sie hier mal Hipster. Diese sind schon in größerer Zahl da und machen alles, auch das Wohnen, zum Trend.
Irgendwann, wenn das Viertel diesen Charakter voll entfaltet hat werden diese Menschen natürlich auch älter, ziehen weg oder renovieren, für Partner, Familie, das Erwachsenwerden eben. Der Bedarf an teurerem Wohnraum steigt automatisch damit an. So lange wartet aber ein Investor nicht gern. Diese Entwicklung nennt man auch die natürliche Gentrifizierung im Gegensatz zum viel gescholtenen Prozess, den Investoren künstlich anstoßen und Viertel aufwerten, ohne Bewohner oder ein Gesamtkonzept zu haben.
Der Vorteil der natürlichen Entwicklung wäre das Erschließen von Potential und Zuzügen von Außen, denn wenn Chemnitz hipp ist und eine spannende Umgebung für Studenten und junge Menschen bildet und diese sich untereinander wohlfühlen, und nicht von allen Seiten der Besen an Wände und Decken klopft, entfaltet sich auch ein Gefühl von einem vielgeliebten Umfeld. Das erfordert den Mut zur Urbanisierung, zu etwas mehr Dreck in einem Viertel, ein Einkalkulieren von etwas Drogenkonsum, durchfeierter Nächte und eben einer lebendigen Umgebung die nicht Jedem zusagt. Wenn das erst einmal läuft, wird es beim Generationenwechsel zu einer Wanderbewegung kommen. Das hippe Viertel wird durch Chemnitz wandern, eben immer dahin, wo die Häuser in mäßigem Zustand und die Mieten niedrig sind, aber nirgendwo bleibt das so für immer. Lange Rede kurzer Sinn: Man muss irgendwo anfangen etwas zu zu lassen, statt überall Kontrolle aus zu üben und es jedem Recht machen zu wollen. Das Ganze hätte dann sogar noch mehr Synergieeffekte, wie z.B. mit der Kreativwirtschaft. Diese lebt von Kreativität, neuen Ideen, einem spannenden Umfeld und günstigen Mieten und hat in Chemnitz inzwischen schon mehr Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung als produzierendes Gewerbe. Das VDSL auf dem Brühl ist dabei sicher auch hilfreich ;-)
Dazu ist diese Graswurzelkultur ein Hort von Toleranz, Fortschritt und Weltoffenheit, den unsere Stadt wirklich gebrauchen könnte.
Wie kann man jetzt noch entgegen steuern?
Die Mieter machen die Musik. Familienfreundlicher Wohnraum könnte auch eine tolle Option für WGs abgeben und aktuell gibt es einige leere und günstige Wohnungen z.B. in der Hermannstraße, wo die Leute, die sich am Atomino gestört haben, ausgezogen sind. Das wirksamste Mittel ist einfach das Viertel mit den richtigen Bewohnern zu füllen und es den Investoren schwer zu machen, an Diesen vorbei zu planen. Alternative Kultur muss seinen Weg hier her finden, der Kultursommer muss Schule machen und quirlige Läden und Bars eröffnen. Ich würde im Stadtrat auch für einen Cannabis Social Club, Spätshop und erneuten Einzug des Atominos streiten. Den neuen Anfang macht aktuell gerade das Café Brühlaffe. Ein vegetarisches und möglichst nachhaltig geplantes Kaffeehaus mit Musik und Workshops. Ohne eine Bar und einen Club in der näheren Umgebung wird es allerdings schwer für den Affen. Von einem Sommerfestival allein wird es sich nicht halten können. Die Brühlpioniere, das Musikkombinat, Kooperation im Quartier und viele Andere brauchen noch Unterstützung und die Piraten sind natürlich auch gern dabei wenn Club-Mate-Vodka ausgeschenkt wird ;-)
Also bitte: Zieht mit ein, macht euer Ding, rettet den Brühl für ein nachhaltig wachsendes Chemnitz und gegen ständige Kompromisse.