• Dank an einen scheidenden Vorsitzenden.

    Dank an einen scheidenden Vorsitzenden.

    Da viel Scheiße darüber im Twitter kursiert, wer wie die Piraten an die Wand gefahren hat und dafür unter die Guillotine muss, hab ich mich gemüßigt gefühlt, mal eine Lanze für unseren scheidenden Vorsitzenden zu brechen.

    Zuerst: Es ist dem Wähler schnurzpiepegal was in unserem Programm steht. Es ist dem Wähler auch schnurzpiepegal, wie geil wir in den Parlamenten gearbeitet haben. Was dem Wähler ins Auge sticht ist, wie wir das in eine Werbeaktion umwandeln, wie die Medienrezeption von uns ist und ob wir uns auch als die Stimme der Veränderung darstellen können, die wir sein wollen. Das macht eine Partei wählbar.

    Weder sind Weltraumaufzüge schuld, noch Zeitreiseanträge oder Sandalen. Das sind Momentaufnahmen, die bei einigen gut und bei anderen schlecht ankommen und immer zu der Zeit kamen, als die Presse halt auch einfach ne gute Auflage hatte, wenn sie das heraus kramte. Wir haben nämlich immer dann Sensationswert, wenn wir polarisieren, also wenn man geteilter Meinung über uns sein kann und sich das zum Gespräch am Wasserspender entwickeln kann.

    Bundesparteitag 2016.2 in Wolfenbüttel

    Was wäre also die beste Möglichkeit gewesen, in unserer sich im Abwärtstrend befindlichen Partei, mal wieder Oberwasser zu spüren?

    Meines Erachtens war das: Jemanden zu engagieren, der unsere Medienrezeption radikal umzukrempeln vermag und uns so aufstellt, dass die Piraten noch immer professionell und gut aussehen. Jemanden zu wählen, der einen Ruf als zerstrittener, biestiger und nachtretender Haufen nicht noch befördert und vielleicht auch wieder ein bisschen hip ist. So Jemanden wollte ich zum 1V dieser Partei wählen.

    Was waren die Erfolge für die Partei aus dieser Amtszeit?

    • Pressekonferenzen zu denen mal wieder Presse erschien (auch wenn es natürlich wieder sogar innerparteilich polarisiert hat)
    • Ein ausgezeichneter Bundespressesprecher <3 Pascal
    • Bundesweite Aktionen (auch wenn die natürlich wieder durchwachsen ankamen)
    • Eine sehr gute (lila) Kampagne, die jener von 2013 in der Güte in nichts nachsteht, obwohl mit deutlich geringeren Ressourcen gearbeitet wurde
      • Heranziehen von Talenten für diese Kampagne
    • Eine funktionierende Vernetzung (wenn man sich ihr nicht versperrt hat) zwischen den Listenkandidaten, der Wahlkampforga, Kampagnenplanung und Pressearbeit
    • Eine Einigung auf 3 Spitzenkandidaten, die nicht dem gestiegenen Altersschnitt der Partei entsprechend zu bieder oder miefig wirkten
    • Gespräche auf Augenhöhe(!) mit anderen Parteien in unserem Spektrum, die wir im Endeffekt auch alle „überflügelten“
    • Gesprächsaufnahmen mit Multiplikatoren, die uns längst verloren schienen und uns reihenweise attestierten, dass wir noch gemocht werden
    • Ein ständiges Unterrichten der Kandidaten mit Erfolgsmeldungen und eine Zukunftsperspektive, um Motivation hoch zu halten

    Bei all diesen Sachen hat Pakki einen enormen persönlichen Anteil geleistet und stand dazu auch noch allen, die daran mitwirken wollten, ständig Rede und Antwort. Von Anfang an verlautbarte Pakki sinngemäß auf Marinas, Kandidatentreffen und anderen Gelegenheiten: „Wenn wir nicht bereit sind, einen krasseren Schnitt in der Außendarstellung zu machen, werde ich eben das Bestmögliche mit dem Gegebenen anfangen. Aber dann muss nach der Wahl dieser krasse Schnitt folgen, wenn die Piraten wieder erfolgreich werden wollen. Jetzt ist das Ziel die Parteienfinanzierung.“

    Meines Erachtens hat er das Bestmögliche aus dem Vorhandenen heraus geholt. Wir sind in 5 Bundesländern nicht angetreten. Wir waren bundesweit betrachtet nicht wirklich kampagnenfähig. Während an einigen Orten gekämpft wurde, lösten sich an anderen Orten die Verbände auf. Während ein Pakki durch die Republik tourte, und er war wirklich überall, stritt der Vorstand untereinander und kritisierte seine Alleingänge. Aber drang dies nach Außen? Meiner Meinung nach kam es nur zu kleinstmöglichen Eruptionen von Unmut und Auflösungserscheinigungen. Vieles wartete bis nach der Wahl. Das ist für mich auch ein enormer Fortschritt dieser Amtszeit.

    Sicher arbeitet es sich mit Magengeschwüren immer schlecht, das beziehe ich auf Teile der Basis und des Restvorstandes. Diese waren aber viel eher dem Druck hinter der Arbeit geschuldet und den Tempo, das wegen versemmelter Deadlines irgendwann an den Tag gelegt werden musste. Außerdem war von vornherein klar, dass ein Pakki nicht die Bundes-IT retten, den P-Shop updaten oder unser Beteiligungstool endlich einführen würde. Pakki hat aus meiner Perspektive in einem halben Jahr aber Sachen angestoßen, die schon seit 2013 hätten laufen müssen und auf mehr Schultern hätten verteilt werden können. Er hat sein Können und Wissen überzeugt und zielgerichtet eingebracht und hatte eine erkennbare Agenda. Er war in meinen Augen ein mehr als tauglicher Vorsitzender.

    Wir waren im Bundestagswahlkampf nicht die Partei der Wahl. Ruinierter Ruf, keine glaubwürdige Ergänzung oder Abwahl der letzten Regierung durch eine Stimme für uns und die mieseste Ausgangssituation für kleine Parteien, seit ich Wahlkämpfe verfolge. Der Kampf AfD gegen die im Parlament wurde aufgebauscht wie noch nie. Es überwogen die „Wählt bloß nicht die Nazis“ statt „Geht wählen!“-Kampagnen. Nur die FDP konnte sich von Außerhalb mit einem gigantischen Mitteleinsatz und noch aktiverem Mediengesicht dagegen behaupten. Auch Online siegte in diesem Jahr Geld über allgemeine Aktivität. Da wo wir aktiv waren, hüpften wir auch über die 0,5%. Da wo wir nicht sichtbar waren, ging der Stimmenanteil eben eher gegen 0,2%.

    Ausblick oder „Was würde Pakki tun?“

    Wie lautete der Plan ab diesem Punkt? Erst einmal musste man den ruinierten Ruf abstreifen, indem man sich vom Wiedererkennungswert (bis hin zu Logos, Farben, Namen) verabschiedet. Dann braucht man externe(!) Hilfe, um einen neuen Ruf aufzubauen. Dazu hat Pakki in seiner Amtszeit auch schon ein paar international anerkannte Berater angeschleppt und wie eine vernachlässigte Hauskatze umschmeichelt. Vielleicht ginge es wieder mehr in Richtung einer Bewegung, ähnlich jener, die Bernie Sanders im US-Präsidentschaftswahlkampf ausgelöst hatte.

    Wenn dieser Plan dann steht, muss die Reform folgen, begleitet von Instrumenten, die Reibungsverluste minimieren und Konsens herbei führen. Doch ganz ohne Verlust wäre dies natürlich nicht zu machen.

    Ich hänge noch sehr am Namen „Piraten“, doch ich bin bereit all diese Dinge aufzunehmen und an dieser Verwandlung mitzuarbeiten. Einerseits weil mir das Projekt persönlich wichtig ist, andererseits weil mir viele Menschen in diesem Projekt wichtig sind. Auf wen ich verzichten kann sind allerdings Jene, die unseren Untergang auf ein falsches oder zu linkes Programm oder aktuelle Einzelpersonen schieben. Die haben meines Erachtens den Schuss nicht gehört und stecken in einer Filterblase, die den Blick aufs große Ganze völlig verlieren ließ.

    Die Parteienfinanzierungsgrenze ist zur Europawahl nur greifbar, wenn wir solche harten Veränderungen durchhalten und ab dem kommenden Wochenende anpacken. Das Wichtige ist unsere Politik und unsere Zukunftsvision, nicht Orange oder ein möglichst großes Logo auf dem Plakat. Nur wenn wir als Partei in der Lage sind, so etwas zu schaffen, können wir wieder zu Höherem streben.

    Vielen Dank für deine Zeit Pakki, der Nicht-Wiederantritt ehrt dich erneut, aus meinem Blickwinkel hättest du aber ruhig bleiben können. Es gibt noch viel zu tun.