Schlagwort: Stadtrat

  • „Wer zahlt denn das alles?“ – Podium im Lokomov

    Mir war es persönlich schon zu kosmopolitisch. Der Bezug zu „was ist Chemnitz die Kunst wert“ kam meiner Meinung nach zu kurz. Wir haben über 220 Vereine, die als Kulturschaffende im Sektor „Freie Kultur“ gelten und welche sich alle irgendwie einen Anteil der deutlich unter 5% Förderung der Stadt wünschen würden, was eine Frau Zais im Gegensatz zu mir im Verwaltungs- und Finanzausschuss wohl überhört hat. Ein Großteil der Vereine trägt sich im Endeffekt über seine Mitglieder oder Querfinanzierung durch Getränkeverkauf und Ähnliches. Das gilt auch für Stätten, welche zwar keine Kunst schaffen, aber einen Bildungsauftrag erfüllen, wie den botanischen Garten.

    Eins wurde aber sehr offensichtlich: Es wurde noch nicht begriffen, das freie Kunst und Kultur auch Infrastruktur braucht. Es war von Förderung von Projekten die Rede. Ein Lesecafé Odradek mag an sich keine Kunst und höhere Kultur darstellen, aber dort ist ein Treffpunkt und auch Geburtsstätte von Projekten. Dort kann sich auch ein sonst armer Künstler gern herum treiben und es gibt für ihn einen Kaffee gratis, wenn jemand anders einen bestellt. Auch Frau Reinhardt hat schlüssig dargestellt das viele Projekte plötzlich funktionieren wenn z.B. die Schlüsselpersonen auf ihren Lohn verzichten und sich aufopfern. Jene, die das Projekt auf Kurs bringen, koordinieren und damit zur Infrastruktur des Projektes gehören.

    Freie Kunst und Kultur schaffen ist Wirtschaften mit Raum, Motivation und dem, was bei den Menschen im Alltag übrig bleibt, ob es Zeit ist, Inspiration oder Geld. Das alles hängt nicht nur von Finanzierung ab und einer hübschen Galerie sondern zuerst von den umgebenden Lebensumständen. Auch das Lohnniveau, Arbeitszeiten und die Gegenwehr aus verschiedenen Bereichen, ob Verwaltung oder Bevölkerung, spielen eine Rolle. Das kann man auch politisch steuern, auf jeder Ebene ein wenig. Das ist auch ein Grund, warum mir als Pirat das bedingungslose Grundeinkommen so gefällt, weil es gleichzeitig von Zeitmangel und Geld befreit und die Menschen vor die Herausforderung stellt, was sie jetzt damit tun sollen.

    Zu guter Letzt fand ich das Streetart-Künstler-Bashen ein wenig fehl am Platz. Wir haben in Chemnitz tolle Beispiele für gelungene Gestaltung von Außenflächen, welche auch auf Auftrag gefertigt werden und auch wirtschaftlich interessant sind. Anders als man vielleicht auch annimmt, ist die Szene sehr vernetzt und kontaktfreudig, nimmt jedes Festival mit und ist interessiert an der Weitergabe der Kenntnisse. Eine inspirierende Umgebung schafft im Endeffekt dann auch den passenden Nährboden für weitere Arten der Kunst.

    Alles in Allem war es nette Unterhaltung. Hoher Lanz-Faktor. Das waren meine zwei Cent dazu.


  • Stadtrat … und nu?

    Spannend, diese Anfangsphase. Am Wahlabend gab ich das erste Interview und danach hing ich eine Woche in der Luft, hätte es da nicht das ein oder andere Gesprächsangebot gegeben. Das ich gewählt wurde erfuhr ich zuerst offiziell im Amtsblatt, welches 1,5 Wochen später erschien. Natürlich wusste ich das schon vorher, aber irgendwie hätte ich mir schon eine schnellere Berichterstattung gewünscht. Kurz darauf kam auch ein Schreiben mit Glückwünschen von unserem Kämmerer.

    Als nächstes wurde ich von verschiedenen Gruppierungen zu Gesprächen geladen. Die Rechten waren nicht darunter, was Ihnen eine Abfuhr erübrigte. Das Spektrum ging, recht frei zitiert, von „Tritt in unsere Partei ein, sonst wird das mit der Zusammenarbeit eher nix“ über „Mit dir könnt ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen, aber du hast davon nicht viel.“ bis zu „Eigentlich sind wir uns programmatisch und vom Politikstil so ähnlich, es wäre dumm, das nicht zu tun.“

    Ihr könnt euch vorstellen, welchen Weg ich gewählt habe. Das Ganze war auch recht schnell in trockenen Tüchern, unter Konsultation der Partei und der Mitglieder des Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität. Bevor es offiziell wurde kamen noch so ein paar Teufelsadvokaten zu mir. „Fechte doch mit die Wahl an, dann habt ihr doch bestimmt 2 Leute drin sitzen.“ und „mach bloß noch keine Fraktion mit irgendwem, lehne dich zurück, du brauchst so oder so 3 Jahre um im Stadtrat was ausrichten zu können.“

    Wie ihr euch vorstellen könnt, waren diese Tipps gaaaaanz uneigennützig. Jetzt entscheidet sich, wie das Spiel die nächsten 5 Jahre lang läuft. Es schweben Änderungen in der Luft, wie eine Erhöhung der Fraktionsstärke. Das wäre meiner Meinung nach ein unheimlicher Betrug am Wähler und eine Machterhaltstaktik um politische Veränderungen zu negieren. Das würde nämlich bedeuten, das 4 von 8 Fraktionen nicht mehr in Ausschüsse dürften, keine Fraktionsfinanzierung bekommen und auch nicht in Gremien wie der Geschäftsführerrunde und den Ältestenrat geladen werden. Das ist ein Kaltstellen, nicht mehr und nicht weniger. Über 20% der Stimmen wären dann quasi stark eingeschränkte Einzelstadträte. Für jene Nicht-Insider muss man dazu sagen das die Sitzungen, die sie dann noch stimmberechtigt besuchen dürften, nicht mehr als öffentliche Bühnen sind. Das Meiste am Entscheidungsprozess ist da bereits gelaufen.

    Inzwischen kam schon mehr Post. Ich erhielt einen Ratgeber für die Ratsarbeit, dessen Studieren mir dringend angeraten wird, Einladungen die für mich ans Rathaus adressiert wurden, trotz Fristenbriefkasten teilweise mit einem Monat Verspätung, und die ersten Sitzungsvorlagen, z.B. mit der Geschäftsordnung und Vorschlägen zur Bildung von Ausschüssen. Die Details darin werd ich mir jetzt in den nächsten Tagen genauer anschauen und daraufhin mit meinen Fraktionskollegen beraten. Natürlich werd ich auch die Piraten am Dienstag zum Arbeitstreffen mit einbeziehen. Da darf wie üblich auch Jeder gern mit zuschauen und mitreden.

    Abgesehen davon haben die Stadträte der VoSi und Ich an einer Liste an Vorschlägen für Ausschüsse und Beiräte gearbeitet. Beim Herumfragen, wer da Interesse hätte, habe ich Wegbegleiter bedacht wie auch Personen, die mir sehr positiv aufgefallen sind. Dort geht es mir auch nicht um Parteizugehörigkeit sondern um gute Arbeit und einen Wandel in den Gremien. Ein Beispiel ist Guido Günther als Vorschlag für den Kulturbeirat. Er ist Inhaber der Kreativagentur Rebel Art auf dem Brühl, richtete dort auch mit den Kultursommer und mehr Veranstaltungen aus und engagiert sich im Brühlgremium. Für mehr Macher und Alternativkultur im Stadtrat ;-)

    Montag gehts zum Einführungskurs ins Ratsinformationssystem und dann werde ich mich wohl mit den Fraktionskollegen beraten. Die erste Stadtratssitzung soll am 16.07. stattfinden. Ich halte euch weiter auf dem Laufenden.