Ich habe gerade die Veranstaltung gestern vom Deutschlandfunk nachgehört und bin echt zwiegespalten. Ja es ist richtig: Fake News sind ein Problem, das auch gesellschaftliche Auswirkungen hat. Aber gesellschaftliche Zustände sind auch oft ein Grund für Fake News.
Unsere (Chemnitzer) Demokratie ist z.B. nicht wehrhaft genug an der Stelle, wenn es darum geht Neonazis und Demokratiefeinden ihre Geldquellen und sicheren Orte zu entziehen und ihnen somit das Mobilisieren und Zersetzen zu verunmöglichen. Inzwischen ist alles vermeintlich „unpolitische“ ihre kuschelige Heimat. Ganz oft sind das Orte ungesunden bis exzessiven Konsums, archaischer Bräuche und männlicher Dominanz. Wer jetzt an Sportveranstaltungen und -Vereine und Volksfeste denkt, liegt damit nicht falsch. So ist es zumindest ein Segen, dass wir kein klassisches Stadtfest mehr haben.
Zusätzlich zu ja schon fast traditionellen Geschäften wie Kampfsport, Security, Szenemode und -Musik, kommen inzwischen vermehrt Jobs in Parlamenten und Drumherum sowie auch diese sich selbst erhaltenden Filterblasen dazu, wo sie leichtgläubigen Leuten Unfug verkaufen und ihre geschäftlichen Interessen gegenseitig stützen.
Dazu gibt es auch einen riesigen Dunkelbereich in Sachen Drogen, Waffen und Menschenhandel. Wenn man aber schon diese Echokammern und Filterblasen nicht greifen und zerstören kann, um die sich das Gespräch am Ende von solchen journalistischen Diskussionen immer dreht, müssen die anderen Bereiche strukturell zersetzt und aufgelöst werden. Sonst bleibt man machtlos.
Ulf Bohmann hat auch die geopolitische Dimension genannt. Newsfabrikation von Botfarmen und mit immer leistungsfähigerer KI, Pseudojournalisten, die von bulgarischen, ungarischen, russischen etc. Oligarchen auf uns los gelassen werden oder chinesische Staatszensur auf TikTok, die schon jetzt auf unsere Kinder und Jugend wirkt.
Die schaffen es in der nächsten Generation Ablehnung z.B. gegenüber trans-Personen zu schüren, die zu Angriffen bis Morden führt. Propaganda inklusive Täter-Opfer-Umkehr bei Angriffskriegen wird bis tief in unser Denken getrieben, bis vermeintliche Zwischenpositionen sogar die gesellschaftliche Mitte prägen. Auch darauf müssen wir eine andere Antwort finden, wenn Bildung und Aufklärung zu lange dauern oder sich Menschen ihr auch einfach strikt verweigern.
So gesehen war die Sendung von und für Journalist*innen. Man hat sich selbst und das täglich Brot ausgewertet im Kontext dieser gesellschaftlichen Entwicklungen. Aber ich erhoffe mir eben auch von Journalismus mehr, als nur seine eigene Methodik beleuchten und „dem Informationsmarkt“ anpassen zu wollen.
Ausgewogene Berichterstattung und Neutralität dürfen nicht dazu führen, dass genau diese Dinge abgeschafft werden. Der Journalismus sollte sich als wichtige Säule unserer Demokratie gegen seine Machtlosigkeit und schwindende Relevanz im Kleinen, wie den Filterblasen, wie im Großen, den geopolitischen Strategien, wehren können.
Und wenn das manchmal heißt dass ein Bürgermeister ein tief empörtes Video veröffentlicht, in dem er den Leuten nur sagt dass sie doch verdammt nochmal die Füße still halten sollen bis es weitere Informationen gibt, dann ist das vielleicht der gangbare Weg. Ich selbst bin auch mehr ein Fan von klarem und ruhigem Erklären und dem einfachen Nennen von Argumenten. Ich liebe beispielsweise die Erklärbärvideos von unserem Wirtschafts- und Klimaschutzminister. Doch wenn ich diese Videos Leuten aus besagten, losgelösten Filterblasen zeige, ist das in ihren Augen auch nur Augenwischerei und Inszenierung.
An bestimmte Teile der Bevölkerung kommst du ohne die Emotion, ohne das Fallenlassen einer gewissen Würde und Contenance nicht mehr heran. Aber der Weisheit letzter Schluss kann ich hier leider auch nicht darbieten. Am Ende bleibt aber die Überzeugung, dass eine wehrhafte Demokratie auch die Ursachen ihrer Defekte und deren Strukturen angehen muss und dazu eine wehrhafte statt resignierende und zurückhaltende Presse braucht.