Stadtrat am 24.09.2014

Ja, es war mal wieder soweit. Stadtratssitzung.
Im Vorfeld der Sitzung wurden schon Bedenken geäußert, dass die Sitzung sich über 12 Stunden hin ziehen könnte, da viele Tagesordnungspunkte mit Wahlen auf dem Plan standen, aber im Endeffekt ging doch alles recht schnell. Es waren nur 5 Stunden, inklusive halbstündiger Pause.

Die Oberbürgermeisterin war zur Sitzung abwesend und bei Koalitionsgesprächen in Dresden, daher leitete der Kämmerer, Herr Brehm, die Sitzung. Zu Anfang fehlten 12 Räte, zum Ende nur noch 9. Zuerst einmal wurden, wie im Endeffekt festgestellt, unnütz die Fraktionserklärungen von der Tagesordnung gewischt. Darüber wurde bereits in der Fraktionsvorsitzendenrunde entschieden. Ich wollte gern eine kleine Lehrstunde in OpenAntrag geben, aber dann ist wohl mein erster Auftritt am Podium etwas nach hinten verschoben worden.

Der erste spannende Tagesordnungspunkt befasste sich mit der Petition zur Stadtbibliothek, welche ich bereits im Petitionsausschuss mitverhandeln durfte. Das Ergebnis des Petitionsausschusses war eher ernüchternd. Wir haben sie weder abgelehnt noch eine Abhilfe beschlossen, weil irgendwelche mir unbekannten Arbeitsgrüppchen, scheinbar unter Leitung von Hubert Gintschel (Die Linke), in Ruhe weiter diskutieren und Strukturänderungen vorschlagen wollten. Daraus folgte: „Die Petition wird bei weiterer Beschlussfassung durch den Stadtrat berücksichtigt.“
Das sagt im Endeffekt so ziemlich Nichts, Herr Gintschel verteidigte diese Position aber auch im Stadtrat. Ich hätte ja gern zumindest im Protokoll gern eine Info gehabt, wie die einzelnen Stadtratsmitglieder des Petitionsausschusses entschieden hätten, aber nicht einmal da führte ein Weg heran. Meike Roden nutzte hier ihre Chance um ihre erste Rede vorzutragen, mit der Erklärung, warum die Grünen sich bei diesem Beschluss enthalten. Inhaltlich super, praktische politische Wirkung -> leider gleich null. Protest durch Enthaltung fand ich ja noch nie besonders wirksam oder klug, aber so machte man sich vielleicht ein paar Freunde bei der Stadtbibliothek. Bedenken von Stadträten, hier dem Haushalt vor zu greifen, sind dabei ja legitim. Ich halte dies allerdings für eine politische Entscheidung ob unsere Bibliothek mehr Medien, Personal und E-Learning anbieten kann. Bei Bildung bin ich nicht bereit den Rotstift anzusetzen.

Danach kamen wir unter anderem zur Änderung von Gesellschafterverträgen städtischer Unternehmen. Die Vorlage der Verwaltung hatte alle Arbeitnehmer aus den Aufsichtsräten gekegelt, was dazu führt, das diese 1. da nicht mehr vertreten sind und 2. auch Expertise verlustig geht. Bereits im Vorfeld hatte ich mit dem DGB und anderen Verbänden bereits Informationen dazu ausgetauscht und mich am Ende an die FDP gehalten, die einen passenden Antrag vorbereitete. Dieser Antrag sah vor, das ein zusätzlicher Platz geschaffen wird, welcher mit einem Arbeitnehmervertreter, also Betriebsrat oder Ähnliches, besetzt wird und vom Stadtrat nur noch Bestätigung benötigt. Laut rechtlicher Kommentierung der Gemeindeordnung wäre das im Rahmen des Möglichen gewesen. Was sich allerdings in der Sitzung abspielte war ein peinliches Schauspiel.
Herr Doktor Füsslein von der FDP trug die Sache vor, wurde geschmäht und teilweise ausgelacht und ihm wurden die Fehler der Landes-FDP aufgebürgt obwohl er daran selbst keinen Anteil hat. Er tritt ja im Grunde nur auf der Liste der Partei an, engagiert sich in dieser allerdings nicht. Sinngemäß: „Die FDP hat ja die Gemeindeordnung so verbrochen und jetzt muss die SPD diese Fehler wieder ausbügeln.“
Ich schätze den Herrn Füsslein, im Gegensatz zu vielen seiner Parteikollegen, als recht gutherzigen Mann ein. Daher tat mir dieses Schauspiel schon leid. Der Antrag wurde mit der Begründung abgeschmettert, das sich die Fraktionen ja auf eine Abgabe ihrer Aufsichtsratsplätze an Mitarbeiter geeinigt hätten. Schön das auch mal zu erfahren!
Nicht schön ist allerdings die Vorstellung, das die Parteien selbst die einstig unpolitischen Vertreter jetzt selbst bestimmen. Ob das so geht waren sie sich auch noch nicht sicher, aber erst mal jede andere Lösung ablehnen und verhöhnen. Und natürlich herrscht dann in den Aufsichtsräten kein Parteiproporz. Gar nicht, kein Stück.

Zur Erklärung: Die Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen müssen nicht spiegelbildlich zum Wahlergebnis besetzt werden, da es hier vor allem um Expertise geht und diese Unternehmen zwar von einzelnen Räten beaufsichtigt aber vom ganzen Rat auch weiterhin durchaus beeinflusst werden können. Stimmt das auch in Chemnitz? Über die Besetzung der Räte muss ich glaub ich nicht viel sagen. Es war ungefähr das gleiche Schauspiel wie zur Besetzung der Ausschüsse.
„Wir stimmen jetzt über das Benennungsverfahren ab.“ -> 40 dafür, 10 (inklusive mir) dagegen. Damit waren die meisten Plätze schon im Vorhinein klar. Die Wahl hätte man sich auch sparen können. Selten wurde auch wieder gelost, aber nur zwischen CDU und Linke. Bei einem Beschluss stimmte eine Bankreihe der SPD gegen das Benennungsverfahren, entweder aus Verwirrung oder damit das Ergebnis mal nicht zum zwanzigsten Mal 40 zu 10 ausfiel. Es folgte Gelächter. Ich machte diesen: m(

Nur bei den Verbandsräten konnte die letzte Bankreihe dem Rest der Versammlung ein Schnippchen schlagen. Dort musste nämlich gewählt werden und es genügten die 10 Personen um z.B. den Kandidaten der Grünen seines Platzes zu verweisen. Ein wenig eklig kam ich mir dann aber schon vor, da dort Stimmen von AfD und ProChemnitz mit hinein flossen. Bei einem Beschluss wählte ich mich aber mal selbst, da absehbar war, das durch die 12 fehlenden Stadträte meine Stimme für den FDP-Kandidaten keinen Mehrwert mehr gebracht hätte.

Beim Tagesordnungspunkt zur Vorstellung des European Energy Award hatte Bernhard Hermann seinen ersten Redebeitrag. Dort wies er nämlich darauf hin das z.B. die Anschaffung von 2 neuen Dienstfahrzeugen mit sparsameren Aggregaten kaum als nennenswerte Umweltmaßnahme verbuchbar ist. Im ganzen wäre das Konzept wohl eine Ansammlung von winzig-kleinen Maßnähmchen.

Weitere spannende Sache war ein Beschluss über Kinderverpflegung aus dem Bildungspaket. Diese sollte auf die Bereiche außerhalb der Schulzeit ausgeweitet werden. War ziemlich unkritisch.

Es gab noch Informationsvorlagen zum Finanzcontrolling der Stadt, Jahresabschlussberichte, ein paar Bebauungspläne die eher unkritisch waren und ich sitze jetzt in einem weiteren, obligatorischen Ausschuss, dem Vergabeausschuss. Da bin ich ja mal gespannt.

Alles in Allem fühl ich mich ja sehr in die Schulzeit zurück versetzt. Dieses Getuschel, ein paar Scherze und böse Blicke mit eingeschlossen. Alles ist berechnet und jedes Ergebnis wird nach Sitzplätzen verteilt angezeigt, dadurch wissen die Stadträte immer, wer da genau aus der Reihe getanzt ist. Warum nur wir Stadträte diese Gewissheit haben dürfen und fürs Protokoll erst namentliche Abstimmung beschlossen sein muss, find ich allerdings unverständlich.

Für euch zur Info: Meine Aufwandsentschädigung wird sich durch Sitzungsgelder ab nächsten Monat wohl dauerhaft bei etwa 400€ einpendeln.

Damit schließe ich diesen kleinen Bericht. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.


Hier noch der Link zur Sitzung

P.S. Jetzt hab ich so viel Dampf abgelassen, das ich das positive ganz übersehen habe. Sind einige gute Leute als sachkundige Bürger gewählt worden. Unter anderem ein alter Wegbegleiter, Ralph Jödicke. Glückwunsch dazu! :)